«DIE TAUBE AUF DEM DACH…»

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 Seeforelle mit der Trockenfliege, Maifliege auf Seeforelle. Alpenfischer, Fliegenfischen, Alpensee, Seeforelle FliegenfischenEs ist eine, wenn nicht DIE Königsdisziplin der Fliegenfischerei im Alpenraum – Seeforelle auf Trockenfliege. Wir reden hier über echte, wilde Seeforellen, und wenn man weiss, wie schwierig es ist, nur schon mit der Schleppangel und mehreren Löffeln oder Wobblern eine einzige Seeforelle zu fangen, dann erscheint einem die Trockenfliegenfischei als völlig aussichtslos.

Text, Film und Bilder: Pascal Bader

Es stellen sich Fragen wie: Gibt es überhaupt die Situation, in der eine Seeforelle nach einer Trockenfliege steigt, Wo, wann, welche Jahreszeit, welche Fliege… usw. Es scheint, dass vieles beantwortet sein will, damit sich die Chance auf einen Fang ergibt.

Die Sache ändert sich aber, wenn man sich mit der Materie näher zu befassen beginnt. Auf einmal rückt der Erfolg in den Bereich des Möglichen.

Die vier wichtigsten Faktoren möchte ich Euch hier vorstellen – ist einer davon nicht vorhanden, dann wirds schon ziemlich schwierig eine Seeforelle zu erwischen. Selbstverständlich führen diese Faktoren nur zum Erfolg, wenn in dem auserwählten Gewässer ein nennenswerter Seeforellenbestand existiert.

Ein perfektes Maifliegen-Imitat. Und das Original darunter..

Seeforelle mit der Trockenfliege, Maifliege auf Seeforelle. Alpenfischer, Fliegenfischen, Alpensee, Seeforelle FliegenfischenFaktor 1 – Bedeckter Himmel

Es geht nicht ohne bedeckten Himmel! Nicht weil die Forellen nicht steigen würden, sondern weil die Maifliegen nicht schlüpfen. Aus irgendeinem Grund mögen die Maifliegenlarven bedeckte Tage, um ihre Verwandlung zum Fluginsekt zu bewerkstelligen. Könnte ich das Wetter selber bestellen, so sähe es so aus: 20 °C Lufttemperatur, 90 Prozent relative Luftfeuchtigkeit, steigender Luftdruck und gelegentlicher Nieselregen.

Jetzt stellt Euch mal vor wieviele dieser Tage es in der Top-Jahreszeit gibt – genau an einem dieser Tage auf dem Wasser zu sein ist dann die grösste Herausforderung.

Ohne Eile hat diese Seeforelle gleich neben dem Boot eben eine Maifliege eingeschlürft.

Faktor 2 – Wenig bis gar kein Wind

Starker Wind ist aus verschiedenen Gründen nicht optimal. Erstens, weil man nicht von weitem sieht, ob Ringe von steigenden Fischen zu sehen sind und zweitens, weil die Maifliegen vom Wind weggetragen werden. Sie landen dann entweder am Ufer in der Vegetation oder auf dem offenen See und da sind keine Seeforellen auf der Suche nach ihnen. Ein dritter Grund ist das Werfen der Fliegenschnur, ohne Wind ist man deutlich schneller und präziser um einen Fisch anzuwerfen, sollte eine Seeforelle nahe dem Boot steigen.

Faktor 3 – Ein Maifliegenschlupf

Die Intensität eines Maifliegenschlupfs vorauszusagen ist nicht möglich. Doch falls die voran genannten Bedingungen eintreffen, dann sind meistens einige Maifliegen am Aufsteigen. Die kleinen Krabbeltierchen leben als Larven am Grund der Seen und zwar im Flachwasserbereich in zwei bis fünf Meter Tiefe, wo das Licht bis zum Grund durchdringt. Die Wassertemperatur sollte etwa 10 bis 14 °C betragen, dann kann ein Schlupf grundsätzlich stattfinden. Voraussetzung ist schlammiger oder sandiger Grund und eine gute Wasserqualität – klares Wasser ist ein Muss. An der Oberfläche angekommen, steigt aus der Puppe eine Maifliege. In der Zeit, wo die fragilen Flügel des Insekts sich entfalten und aushärten ist es am verletzlichsten. Seeforellen haben daher meistens auch keine Eile beim einschlürfen ihrer Beute, denn diese kann noch nicht davonfliegen.

Die Tageszeit kann entscheidend sein, meiner Erfahrung nach ist die Mittagszeit am besten. Nach 14 Uhr nimmt das Schlüpfen schnell wieder ab. Die Zeitspanne, in der Maifliegen schwärmen, reicht vom April bis Juni. Ein wenig lokales Wissen ist also nötig, um zur richtigen Zeit vor Ort zu sein.

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Ideale Bedingungen – bei dem leichten Nieselregen sind mehrere Forellen auf Maifliegen-Suche.
Ein Feuerwerk explodiert, wenn die Forelle gehakt ist.

Faktor 4 – Fressende Seeforellen

Zu guter Letzt geht die Sache nicht auf, sofern keine fressenden Seeforellen unterwegs sind. Manchmal passt alles – das Wetter macht mit und auch die Maifliegen schwärmen – doch es sind keine Ringe zu sehen. An was es liegt ist schwer zu sagen, vielleicht ist der Bestand an  Forellen nicht hoch genug, oder die Fische haben sich an einer anderen Stelle des Sees zum Fressen eingefunden. Es kann auch sein, dass die Schlupfphase der Maifliegen erst begonnen hat, so haben sich die Forellen noch nicht an dieses Fressverhalten gewöhnt.

Wenig Zeit

Der Zeitraum im Jahr, der diese Voraussetzungen erfüllen kann ist meistens nur zwei bis drei Wochen lang, je nach Gewässer und klimatischer Situation.

Es gibt Fliegenfischer, die während der besten Tage gleich mal Ferien nehmen. Das erhöht natürlich die Chancen, Tage zu treffen, an denen alle wichtigen Faktoren stimmen.

Doch all diese Antworten reichen noch nicht aus, denn um den expliziten Augenblick zu erleben, wo die Seeforelle das Maul öffnet und unsere Fliege einsaugt, braucht es auch Euern eisernen Willen und unnachlässige Ausdauer.

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Es hat geklappt, die Seeforelle ist gelandet – ein Ereignis, das nicht alltäglich ist.

Welche Gewässer

Im Alpenraum gibt es glücklicherweise einige Seen, die sich für die Fliegen-Pirsch auf Seeforellen eignen. Informiert Euch trotzdem erst genau, wie die Bestände sind. Diese können oft über das Internet von den entsprechenden statistischen Stellen abgerufen werden. Oft eilt einem Gewässer auch ein gewisser Ruf voraus, der meistens einen Funken Wahrheit enthält.

Trotzdem möchte ich Euch hier einige konkrete Tipps geben, wo nachweislich Seeforellen mit der Trockenfliege gefangen werden. Vor allem in der Schweiz hat diese Art der Fliegenfischerei ihr Anhänger, Grund dafür sind die teilweise intensiven Schlupfphasen der Maifliegen. Reges Treiben herrscht vor allem am Vierwaldstättersee in der Zentralschweiz. Rund um den Ort Weggis und in der Küssnachter-Bucht, sowie auch vor Kastanienbaum am gegenüber liegenden Ufer. Hier werden regelmässig Seeforellen gefangen. Wer kein Boot zur Verfügung hat, kann auch vom Bellyboot fischen.

Weiter bieten der Thunersee und der Brienzersee gute Möglichkeiten. Dort sind vor allem die flachen Ufer mit sandigem Boden zu suchen, ein Boot ist hier von grossem Vorteil.

An all diesen Seen existiert auch ein jährlicher Mai-​fliegenschlupf, der allerdings von Jahr zu Jahr unterschiedlich stark ausgeprägt sein kann.

Auf dem riesigen Neuenburgersee, findet auch ein starker Maifliegenschlupf statt, dies beweisen die teilweise grossen schwimmenden Teppiche von Larvenhüllen. Den Ort zu finden, wo der Schlupf stattfindet, ist mir allerdings noch nicht gelungen, das steht noch auf meiner «Liste».

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Gleich nach dem Anbiss schwimmt diese Seeforelle auf den Angler zu.

Strategie der Pirsch

Wir warten nahe einer Region, wo wir einen Maifliegenschlupf feststellen. Seeforellen zeigen sich plötzlich mit einem Ring an der Oberfläche; wir nähern uns mit dem Boot langsam der Zone, wo wir Ringe beobachtet haben. Idealerweise benutzt man dazu einen leisen Elektro-Aussenbordmotor, der Benziner macht zu viel Lärm. Einen Anker braucht es nur dann, wenn ein leises Lüftchen weht, das uns gegen das nahe Ufer drückt.

Nun machen wir die Fliegenrute bereit; 6er-Rute mit 9 Fuss Länge oder ähnlich mit einer Keulenschnur für mittlere bis weite Würfe sind ideal. Am Ende des Vorfachs (etwa 0,18 mm) ist die Maifliegenimitation angeknüpft. Eine etwas längere Vorfachspitze ist angebracht: 120 Zentimeter reichen.

Der Idealfall sieht so aus: Eine Seeforelle zeigt sich in Wurfweite, wir warten erst ein zweites Steigen ab. Denn so verrät uns die Forelle ihre Schwimmrichtung und wir können ungefähr den Ort abschätzen, wo wir unsere Fiege platzieren müssen. Wir werfen sanft dahin und unser Vorfach legt sich gestreckt auf das Wasser. Der Fisch sieht die Fiege und schlürft sie langsam ein. Wir warten bis die Forelle abgedreht hat und setzen den Anhieb. Soweit der Idealfall.

Jetzt zur Realität: Die meisten Ringe erscheinen ausserhalb der Wurfweite, die meisten Forellen schlagen nach dem zweiten Steigen eine andere Richtung ein, bei den meisten Würfen kringelt sich das lange Vorfach durch unseren zitternden Wurfarm auf dem Wasser und wir müssen die Leine Strecken, die meisten Forellen nehmen eine echte Fliege gleich neben unserer und die meisten Anhiebe gehen ins Leere, weil wir – furchtbar ungeduldig und überrascht über den Biss – zu früh anschlagen.

So, jetzt seht Ihr, dass unheimlich viele Faktoren passen müssen, bis eine Seeforelle mit der Fliegenrute gefangen werden kann. Doch genau das wollen wir ja, denn wichtiger als der Fisch in den Händen, ist der Weg zum Fisch. Oder: «Die Taube auf dem Dach reizt uns mehr als der Spatz in der Hand» – ist es nicht so?

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Der perfekte Tag brachte gleich zwei Seeforellen.

Faktenbox

Die 4 wichtigsten Faktoren für einen erfolgsversprechenden Tag:

  • Faktor 1: Bedeckter Himmer
  • Faktor 2: Wenig bis gar kein Wind
  • Faktor 3: Ein Maifliegenschlupf
  • Faktor 4: Fressende Seeforellen

Ausserdem

Einige Zusatztipps:

  • Wassertemperatur von 10 – 14 Grad
  • Feucht-warme Witterung ist ideal
  • Kein Lärm machen
  • E-Motor zum leisen Positionieren
  • Anker setzen bei leichtem Wind
  • Geduld bis sich Ringe zeigen, hinterherfahren bringts nicht
  • Bereit sein zum Wurf
  • Schnurkorb oder freie Schnur sicherstellen
  • Zeit mitbringen

Alternative mit Nymphen

Es gibt Situationen, in denen die Seeforellen auch mit der Nymphe zu fangen sind. Jede Maifliegenlarve muss erst durch die gesamte Wassersäule aufsteigen, bevor sich schlüpfen kann. Dies sind in der Regel einige Meter. In der Zeit ist sie eine leichte Beute für Seeforellen. Man kann also auch die Zeit vor dem intensivsten Maifliegenschlupf nutzen und mit der Nymphe ein paar Würfe machen. Benutzt leichte oder unbeschwerte Nymphen und lasst sie am langen Vorfach langsam absinken. Dann haltet die Leine und zieht sie gaaanz langsam, eventuell mit leichten Zupfern wieder ein. Den Biss könnt ihr so nur schwer verpassen.

 

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