So wichtig bist du nicht mehr..
Wer als Arbeitnehmer kennt zu Beginn des neuen Jahres nicht den Aufruf des Chefs, man solle doch schnellstmöglich seine Ferien im Absenzen-Kalender eintragen. Üblicherweise herrscht nämlich bis weit in den Januar bei der Teamübersicht eine gähnende Leere, was die Planung betrifft.
Zeichnung: Tanja Binder
Aber nur fast. Denn ein gewisser Tag, der sticht mit einem Eintrag nicht nur im aktuellen – sondern gleich auch fürs nächste Jahr hervor. Denn dieser wird vom jeweiligen Teammitglied akribisch früh eingeplant, damit ja kein Risiko für unliebsame Überraschungen bleibt.
Und die Planung hat mit dem Tag freinehmen begonnen und mündet in den letzten Tagen davor in eine hektische und logistische Herausforderung. Fehlendes Material muss organisiert als auch minutiös ins bestehende Equipment integriert werden. Ein Materialtest unter Einbezug aller möglichen Eventualitäten wird in der warmen Stube durchgespielt. Es muss für diesen ach so wichtigen Tag einfach alles bestens vorbereitet sein.
Das dicke Kreuz im Angelkalender
Es ist selbstverständlich nicht der Hochzeitstag oder der Geburtstag der Frau und Kinder, kein Messetermin und schon gar nicht ein Brückentag über Ostern um irgendwo im Stau zu stehen.
Nein, es ist der magische Tag um mit ein paar anderen Verrückten in aller Herrgottsfrühe an einem Salmonidengewässer bei üblicherweise misslichen Bedingungen im eisigen Wasser zu stehen.
Denn der erste ungestüme Anbiss einer prächtigen Forelle lässt uns diesen wahnwitzigen Aufwand für diesen Vorbereitungsmarathon in sekundenbruchteilen vergessen. Diesem berauschenden Gefühl beim ersten Fischkontakt ist jeder verfallen, welcher das Privileg hat, in der Nähe eines Forellengewässers aufgewachsen zu sein.
Time is changing
Dass die Tradition der Forelleneröffnung bröckelt und der Mythos vom 1. März als wichtigster Tag an den grossen Flüssen verblasst, wurde dem Autor allerdings vor paar Tagen schmerzhaft bewusst.
Bei der alljährlich im Februar stattfindenden «Flussputzete» stellte er einer Gruppe von neuen Vereinsmitgliedern freudig die Frage, ob sie denn am Freitag dem 1. März auch kommen würden? Die Fischerhütte mit Ausschank sei dann auch extra offen. «Ja klar», tönte es unisono. «Ab wann ist die Hütte denn offen?» Ab 9 Uhr. «Ah, erst so spät», meinten die Neuen. Ja, denn sobald es hell ist, wird natürlich vorher zuerst geangelt – ist ja die beste Zeit! «Du meinst also am Morgen»? Logisch! «Ah, extra frei nehmen für den Saisonstart, das dann aber doch nicht!»
Und so wird mit dem massiven Salmoniden Rückgang auch die Relevanz dieses andächtigen Tages am Fluss verschwinden. Die neue Garde wird ihre Jünger dann per Whatsapp-Chat für die wirklich bedeutsamen Tage mobilisieren: «Wassertemperatur von 21° C erreicht, wir blasen heute zur Wels-Jagd!»
Der QuerdenkerEr nennt die Dinge beim Wort, betrachtet uns Fischer aus der Ferne, neigt zur Provokation und pointiert. Sind wir wirklich so, haben wir uns in unserem Tun verrannt? |
