«ÜBER FISCHE UND FISCHER – WELCHEN EINFLUSS HABEN WIR BEIM ANGELN AUF UNSERE FISCHBESTÄNDE»

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Volles Haus am diesjährigen FIBER Seminar “Über Fische und Fischer – Welchen Einfluss haben wir beim Angeln auf unsere Fischbestände”.

Ein Thema von Brisanz, lockte am Samstag den 24. Februar 2018, mehr als 200 Fischerinnen und Fischer nach Olten im Kanton Solothurn. Alle wollten sich die Referenten aus Fischereiverbänden, Forschung, Behörden und Umweltbüros anhören, welchen Einfluss die Freizeitfischerei auf unsere Fischbestände hat.

Text und Bilder: Alpenfischer Autor Andi Binder

Dass von den Anglern nicht so gern gehörte Themen wie «unerwünschte Auswirkungen der Freizeitfischer» ebenso auf der Traktandenliste standen, änderte nichts daran, dass die Veranstaltung ausgebucht war.

Die Fischerei ist wichtig

Den Auftakt zur Tagung durfte Phillip Sicher mit den Ergebnissen zu einer kürzlich erhobenen sozio-ökonomischen Studie des SFV zum Angeln in der Schweiz machen.

Zum Beispiel liegt die Freiwilligenarbeit der Angler/Innen mit ca. 35% klar über dem Schweizer Durchschnitt von ca. 25%. Solche Zahlen sollte man im Auge behalten, wenn es noch weitere Verschiebungen Richtung Patenkantone geben sollte. Denn in den Fischereivereinen ist die Quote mit ca. 75% natürlich noch um einiges höher. Dass bei den von den Angler/Innen genutzten Informationsquellen altbekannte CH-Printmagazine weit oben auftauchen verwundert nicht, wenn für die Studienumfrage teilweise deren Adresskartei verwendet wurde. Trotzdem ist der weitere Vormarsch von Onlinemedien wie Foren etc. gut sichtbar. Unter den Begriff «Citizen Science» wurde die Bereitschaft ermittelt, Daten vor Ort mittels Smartphone zu sammeln. Dort ist die Altersstruktur mit ihren Vorlieben ebenso ersichtlich wie in der Informationsbeschaffung. Nicht in Olten präsentiert, aber in den Unterlagen enthalten, ist die Sicht der nicht-fischenden Bevölkerung – auch spannend!

–> Präsentation hier. Komplette Studie vom SFV hier.

Unerwünschte Auswirkungen der Freizeitfischerei

Danach zeigte Sébastien Nusslé auf, welche unerwünschten Nebeneffekte die Freizeitfischerei auf die Fischbestände haben kann. Zuerst wurde allerdings erläutert, dass wir in einer Krise der Biodiversität stecken. Dazu wurden Flussabschnittskarten gezeigt, wie es vor über 100 Jahren aussah und heute. Das sind schon extreme Veränderungen der Grünflächen, sprich eine massive Bevölkerungszunahme. Anschliessend die Themen Verantwortungsvolle Fischerei, Fischereimanagement, Studie Mortalität beim Zurücksetzen. Als Quick-Win in dieser arg komplexen Thematik ist sicherlich der Einsatz des „Kreishakens“ oder Circle-Hook eine einfach zu realisierende Massnahme. –> Präsentation hier.

Prof. Dr. Robert Arlinghaus rockt die Bühne

Dann trat der «Rockstar» unter den Fischereibiologen auf die Bühne, nämlich Robert Arlinghaus. Die mit viel Verve abgehaltene Präsentation zum Thema «Bedeutung grosser Laichfische» mundete in der Konklusion, dass das Entnahmefenster im Gegensatz zum Mindestmass einen Paradigmenwechsel einläuten könnte. Aber so einleuchtend er uns die Bedeutung der grossen Laichfische, im Arlinghaus Slang genannte BOFFF’s (=Big Old Fat Fecund Females – grosse, alte, fruchtbare Weibchen) verständlich machen konnte, so ist auch hier der Beipackzettel mit den Nebenwirkungen und Komplikationen genau zu studieren. Mit anderen Worten, das Fangfester kann nicht an jedem Gewässer gleich angewendet werden und Heilung bringen. Dafür plädierte er zwischen den Zeilen, dass der Fang eines kapitalen Fisches (Fangfenster Ausnahme für einen kapitalen pro Jahr?) hin und wieder fürs Anglerglück extrem wichtig sei. Hingegen der tägliche Fang von ein oder maximal zwei Fischen rasch an den Grenzwert der Glückseligkeit stösst. Also ob 2 oder 5 Forellen im Weidenkorb sind, es hilft uns nicht wirklich glücklicher zu sein!

–> Unterlagen hier.  Präsentation leider nicht verfügbar, vieles davon aber hier.

Können wir unsere Fischentnahme mit Besatz optimieren

Am Nachmittag zeigte David Bittner in seinem Referat auf, wie Fischbesatz unter Einbezug der Fischereiverbände und durch wissenschaftliche Begleitung optimiert werden kann. Er vertritt die Haltung, dass der Fischbesatz der letzten Jahre eigentlich nichts gebracht hat. Anschliessend musste er missionieren und die ungläubigen Angler/Innen mit viel  Aufwand von dieser Erleuchtung überzeugen. Mit dem Kanton Aargau läuft nun ein Pilot, wo dieses Besatzkonzept, oder eben zum grössten Teil erhoffte Naturverlaichung, einem Praxistest im grossen Rahmen unterzogen wird. Entscheidend werden auch die geplanten 35 Bewirtschaftungseinheiten sein, wo nur mit tatkräftiger Unterstützung der lokalen Fischereivereine, diese genetisch passenderen Populationen aufgezogen werden sollten. Eine Ausnahme bildet der Felchenbesatz am Hallwilersee, welcher aktuell nicht hinterfragt wird.

–> Präsentation hier.

Das Besatzfischprojekt im Kurzüberblick

Anschliessen ging es beim 2. Referat von Robert Arlinhaus um den nachhaltigen Fischbesatz. Er konnte anhand von theoretischen Modellen und experimentellen Labor- und Freilandversuchen aufzeigen, wie das Überleben nach dem Besatz ist. Dass genetisch so ähnlich wie möglich besetzt werden muss und die Tiere so natürlich wie möglich aufgezogen werden sollten. Auch sind Jungfische nicht pauschal die besten Besatzfische, wenn nur eine Fangsteigerung angestrebt wird. In den Unterlagen ist der Zugriff auf eine Hegeplanungssoftware enthalten, wo solche Besatzkonzepte durchgespielt werden können. Solch betriebsame Forscher wie der Robert Arlinghaus verblüffen durchaus mit ihren grossangelegten und unkonventionellen Experimenten. Ob allerdings die 6 Vereine, welche als Placebo (Versuchskaninchen) für die Studie „Nachhaltiger Besatz“ herhalten mussten, der gleichen Meinung waren, darüber lachte Arlinghaus sowie die Seminarteilnehmer an diesem Samstag locker hinweg.

–> Unterlagen (Video) hier. – Hegeplanungssoftware hier.Präsentation leider nicht verfügbar, vieles davon aber hier.

Fischerei Entwicklung Waadt und Bern

Darauf gaben uns Frédéric Hofmann und Thomas Vuille anhand von praxisnahen Beispielen einen Einblick in das Fischereimanagement ihrer jeweiligen Kantone Waadt und Bern. Es wurde klar, dass der Zustand der Gewässer und Fischpopulationen nach wie vor problematisch ist. Beim Äschen-Monitoring zw. Thun und Bern an der Aare zeigte sich, dass die Angelfischerei nicht die Hauptursache für den Bestandesrückgang ist. Denn die massgebliche Dezimierung der Äschen erfolgt im jungen Alter von 0.5 – 1.5 Jahre.

–> Präsentation F. Hofmann Kanton Wadt hier.
–> Präsentation T. Vuille Kanton Bern hier.

Schongebiete mit Matthias Escher

Zum Schluss hat uns Matthias Escher den Ist-Zustand der Schongebiete in Fliess- und Stehgewässer in der Schweiz präsentiert und aufgezeigt, unter welchen Voraussetzungen Schongebiete einen positiven Einfluss auf unsere Fischpopulationen haben können. Aktuell wurden zw. 2.0 – 3.0% der Fliess- und Stehgewässer als Schongebiete ausgeschieden. Auch hier ist die Logik (Pacht- oder Patentsystem) nicht unerheblich für die Umsetzung.

–> Präsentation Schongebiete Schweiz hier.

Konklusion

Klar war den anwesenden Angler/Innen sicherlich schon vor dem Seminar, dass keine Fische entnehmen oder besser gar nicht Angeln, dem Gewässer und den Fischen ein klein wenig helfen würden. Aber ob dieses ein bisschen im Gesamtkontext zu den anderen Problemen die unsere Gewässer plagen, mit 2 oder 33% Populationserhöhung zu quantifizieren wären, darauf gab auch dieser bestens organisierte und unterhaltsame Tag in Olten keine Antwort. Auch könnte gerne mal die Frage gestellt werden, was wäre mit den Fischbeständen, wenn sich keine Angelvereine, Fischereiverbände für die Fischerei stark machen würden? Gäbe es dann nicht noch weniger Fische?

Es war jedoch mit Bewunderung zur Kenntnis zu nehmen, wie viele Angler/Innen sich beim Seminarthema «Über Fische und Fischer» angesprochen fühlten und damit ihren Willen zum Ausdruck brachten, dass sie gerne einen Beitrag für die Rettung der Fischpopulationen leisten. Dies ganz im Bewusstsein, dass es andere Themen (Kraftwerke, Pestizide, Microverunreinigungen, Prädatoren, Klimaerwärmung etc.) sind, welchen den grössten Einfluss auf unsere Gewässer haben.

Aber die Angler und Anglerinnen sind eben «Liebi Cheibe»  und wischen zuerst vor der eigenen Türe. Deshalb werden sie der Verwaltung und Forschung auch weiterhin Hand bieten und den neusten Trends aus Forschung und Wissenschaft offen gegenüber stehen.

Denn vom Naturell hatten die Teilnehmer eines gemeinsam, alle lieben die Natur. Lasst uns diese bitte auch unterhalb der Wasseroberfläche gemeinsam erhalten!

Besten Dank an die Organisatoren von Fiber, alles sehr professionell und stimmig!
Viele weiteren Infos unter www.fischereiberatung.ch/

 

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