Zeichnung: Tanja Binder
Ach, wie waren die Angler froh, dass «Fischen» sein verstaubtes Image über die letzten Jahre abstreifen konnte. Die Erinnerungen an die 1980er/1990er Jahre, als den langweiligen «Wurm-Akrobaten» neben schmutzigen Fingern, höchstens Duldsamkeit als positives Merkmal attestiert wurde, sind zum Glück verblasst.
Da gibt der modische Streetfisher in seinem bunten und stiefellosen Outfit ein medienwirksameres Bild ab, wenn er in der letzten Industriebrache der Grossstadt seinen Twitchbait ins Wasser casted. Und handelt es sich bei dieser Person um eine Anglerin, ist die Chance gross, dass dieses Bild aus der Angler-Ecke raus auf die grosse Boulevard-Bühne getragen wird. Bezirzt diese Fischerin zusätzlich mit einem Schmollmund, welcher jeden Grosskarpfen in den Schatten stellt, verhelfen ihr die Petri-Jünger mithilfe sozialer Netzwerke rasch zu einem Promi-Status.
Dank dieser Popularität braucht unsereins am Quartierfest seine Angelpassion nicht mehr zu verschweigen. Mit gutem Gewissen kann man sich unbeschwert dem Golfer, dem Segler und dem Bergsteiger bei deren Prahlereien anschliessen.
Gut ins obige Bild passt da Dani – ein ehemaliger Extremsportler und neuerdings auch Angler. Er erzählte wie er kürzlich vom fahrenden Kursschiff aus, schöne und fette Barsche gefangen habe und bereits für den nächsten Winter Eisfischen am Bergsee plane. Dieser aber nur nach langem Marsch mit Schneeschuhen und einer „Biwak-Übernachtung“ und anschliessendem Gleitschirmflug machbar sei. «Gott, dachte der Autor, geh doch einfach «Schwarzfischen», wenn du Nervenkitzel brauchst, aber lass mich bitte in Ruhe mit diesem Extremfischen». Nach dem Telefonat blieb allerdings ein schales Gefühl zurück und die letzten Folgen von DMAX und den Fluss Monstern liefen vor seinem geistigen Auge ab. Wenn selbst der Hypster Dani fischen geht, ist Fischen wirklich der neue Lifestyle, schoss es ihm durch den Kopf. Dani, der Generation-Y zugehörend und deren Attribute wie dynamisch, ehrgeizig, hohe Ansprüche an sich selbst, tätowiert und die Maxime «work hard – fish hard» perfekt verkörpernd, ist vom Adventure-Sportler zum Trendfischer mutiert.
Da gilt es nur zu hoffen, dass die Erwartungen ans Fischen dieser Lifestyler auch erfüllt werden. Denn auf Facebook wird einer garantiert den grösseren und unter noch spektakuläreren Umständen gefangenen Fisch vorweisen können. Auch das bei Schneesturm mit der Schleppkamera aufgenommene Unterwasservideo wird garantiert von einem gepimpten Filmchen aus Kasachstan übertroffen werden.
Da hat es der Zigarren rauchende Pensionär, welcher in seinen moosgrünen Schlabberklamotten seit Stunden erfolglos seinen Schwimmer anstarrt, wesentlich einfacher. Zittert seine Pose doch einmal, wird er der glücklichste Mensch sein, denn es kam viel besser als erwartet…