Unser Autor Rasmus Ovesen präsentiert Dir spektakuläre Aufnahmen zum Träumen oder vielleicht auch zum Planen. Ziel seines Abenteuers: die Mongolei. Am Fluss Delgermörön ist er dem legendären Taimen auf der Spur.
Text und Blder: Rasmus Ovesen
Die Mongolei war schon ein Kindheitstraum von mir. Nach einer ersten Stippvisite befinde ich mich nun am Ufer des verführerisch schönen Flusses Delgermörön wieder. Er liegt nahe der russischen Grenze in der Provinz Chöwsgöl und ist Heimat des Fisches, der mich in meiner 25-jährigen Fliegenfischerlaufbahn gedanklich immer begleitet hat – der Taimen.
Anreise
Wer mongolische Luft atmen möchte, der darf lange Anreisen nicht scheuen. Mit dem Flieger geht’s erst einmal nach Moskau. Von dort weiter nach Ulan Bator, der Hauptstadt der Mongolei. Darauf folgt eine achtstündige Autofahrt durch ursprüngliches Land. Wir treffen auf Nomaden, die wie ihre Vorfahren jeden Tag den harten Kampf um das tägliche Brot erleben und sich hartnäckig gegen die Elemente stemmen. Über staubige Strassen erreichen wir schliesslich den Fluss. Vor uns liegt ein tiefer Canyon und das Wasser sucht sich seinen „chaotischen“ Weg durch die zerklüftete Felsenstruktur. Während der Tag sich dem Ende neigt, färbt die untergehende Sonne den Canyon blutrot. Die Dunkelheit schiebt sich über die raue Landschaft, die wenig grüne Vegetation im Tal und die kristallklaren Wassermassen. Dann geht alles ganz schnell und das Land liegt eingehüllt im Dunkel der Nacht. Die Abertausenden Sterne sind das Letzte, das ich sehe, bevor ich in einen tiefen Schlaf falle.
Bilderbuchstart
Am nächsten Morgen beginnt das Abenteuer. Zusammen mit meinem Bruder und Guide Mark Portman startet der Trip wie gewünscht. Weniger als eine Stunde nach unserer ersten Driftbootstour bekomme ich einen starken Biss in einem ruhigen Flussabschnitt. Wir sind nur wenige Kilometer von unserem Nachtlager entfernt und ich fühle eine unbändige Kraft am anderen Ende der Schnur. Es ist so, als wäre ich aus einem Traum gerissen worden: Mein buschiger Streamer landet perfekt in einem grossen Wirbel stromab. Die Drift beginnt und wird bereits nach wenigen Augenblicken gestoppt. Ich habe am ganzen Körper Gänsehaut.
Dies ist zweifelsohne ein grosser Fisch! Mark bringt das Boot in eine gute Ausgangsposition und ich fühle jede einzelne Faser meiner Fliegenrute arbeiten. Immer wieder bekomme ich den Unbekannten vom Grund weg, immer wieder schafft er es, mir die gewonnene Schnur abzunehmen. Dann durchbricht plötzlich ein „braunes Brett“ die Wasseroberfläche und zeigt sich in seiner ganzen Schönheit. Die Zweifel sind weg: ein massiver Taimen! Mark dirigiert das Boot Richtung Ufer. Ich erhöhe den Druck. Alles läuft nach Plan und wir erreichen das flache Wasser. Jetzt geht’s ganz schnell: Der Guide und ich springen ins Wasser. Ich mit einer gefährlich krummen Rute, Mark mit einem grossen Kescher. Noch bevor der Taimen zur nächsten Flucht ansetzen kann, verschwindet er in den Maschen. Ich knie mich ehrfürchtig neben den Herrscher des Reviers und bin überwältigt. 125 Zentimeter Länge und mehr als 20 Kilogramm Gewicht. Völlig geschafft präsentiere ich den massiven Fisch nur kurz für zwei, drei schnelle Fotos. Kaum fühlt er wieder tieferes Wasser unter seinem Bauch, verschwindet er zurück in sein Reich. Jetzt hält mich nichts mehr und ich lasse meiner hemmungslosen Freude freien Lauf! Zurück im Boot begreife ich erst, was gerade geschehen ist. Gleich am ersten Tag erwische ich einen Traumfisch an der Einhandrute. Entspannt lehne ich mich im Boot zurück, geniesse die Fahrt durch die Stromschnellen und sehe den kommenden sechs Tagen gelassen entgegen…
Sieben Tage später
Nun liegt eine Woche am Delgermörön hinter uns. Mehr als 40 Taimen verbuchen wir auf der Habenseite. Viele stürzten sich mit actiongeladenen Sprüngen auf unsere Mausimitationen. Wir konnten im Flachwasser auf Sicht fischen oder verzweifelten an echten Giganten, die sich nur halbherzig für unsere XL-Streamer interessierten. Abwechslung boten aber auch die unzähligen Lenoks (Brachymystax lenok) und Äschen bei einer erstklassigen Trockenfliegenfischerei. Unser Trip war vom Anfang bis zum Ende bestens organisiert. Freundschaften wurden geschlossen und beim allabendlichen Zusammensitzen kam der Spass auch nicht zu kurz. Auf den rund 125 Driftkilometern befischten wir dank der professionellen Guides einen Hotspot nach dem anderen. Noch heute fühle ich die Ereignisse, sobald ich meine Augen schliesse. Das macht doch einen erlebten Traum aus, oder?
Das Revier
Der Delgermörön bedeutet in der Sprache der Mongolen «breiter Fluss». Zusammen mit dem Ider und Chuluut speist er den mächtigen Fluss Selenge, der nach fast 1000 Kilometern in den russischen Bajkalsee mündet. Aufgrund seiner Abgeschiedenheit ist der Delgermörön einer von wenigen Flüssen, in denen Taimen noch ihre beheimatet sind. Der Fluss ist umgeben von schneebedeckten Bergen und hügeliger Landschaft, in der mongolische Nomaden mit ihren Rinder- und Schafherden umherziehen. Im Wasser herrscht ein reges Treiben und Nahrung gibt es zur Genüge. Dabei darf man nicht vergessen, dass der Fluss bis zu 175 Tage im Jahr komplett zugefroren ist. Ansonsten fliesst er sauerstoffreich durch sein felsiges Flussbett und ist meist kristallklar. Abgesehen von einigen kurzen, bis zu vier Meter tiefen Pools ist der flache Delgermörön perfekt für Fliegenfischer. Die Saison beginnt Anfang Juni und dauert bis Anfang Oktober. Beim Driftfischen kommen Neun-Fuss-Ruten in #10, robuste Rollen mit WF-Schnur und 100 Meter Backing (Nachschnur) sowie 0,40er-Fluorocarbon-Vorfach zum Einsatz. Die Fliegenauswahl beschränkt sich auf grosse, buschige Streamer in 18 bis 25 Zentimeter Länge, sowie Mausimitationen.
