MEHR LEBENSQUALITÄT FÜR FISCHE UND INSEKTEN

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Wenn die Turbinen anspringen und plötzlich das Wasser aus den Kraftwerken sprudelt, wird es für die Tiere in der Aare ungemütlich. Das neue Beruhigungsbecken schafft Abhilfe. Das Wasser wird dort zwischengespeichert und langsam in den Fluss eingeleitet. Damit ist die KWO ein Vorreiter in der Schweiz.

von Nils Sager, Jungfrauzeitung

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Das Beruhigungsbecken fasst zusammen mit dem Unterwasserstollen 80’000 Kubikmeter. Hier wird das Wasser aus den Kraftwerken zwischengespeichert, bevor es langsam in die Aare fliesst. Fotos: KWO

Im Winter, wenn Schnee und Eis das Wasser auf den Bergen binden, plätschert die Aare gemütlich vor sich hin. Drei Kubikmeter Wasser pro Sekunde führt sie dann. Das sind rund 20 Badewannen voll. Darin schwimmen Fische, Insektenlarven leben auf und in der Gewässersohle. Wenn dann die Kraftwerke anspringen, steigt der Pegel schnell an. Bis zu 70 Kubikmeter in der Sekunde konnte die Wasserrückgabe bisher betragen. Mit dem Kraftwerksausbau in Innertkirchen sind es neu maximal 95 Kubikmeter pro Sekunde – fast 700 Badewannen.

Gefahr für die Insektenlarven

Für die Tiere heisst das, sie müssen sich schnell in Sicherheit bringen, sonst werden sie fortgespült. Fische könnten zwar wieder flussaufwärts schwimmen, doch vor allem Insektenlarven sind von dem schnellen Abflussanstieg stark betroffen.

Daher bauten die Kraftwerke Oberhasli beim Projekt «KWO plus» auch einen neuen Unterwasserstollen und ein Beruhigungsbecken. Insgesamt 80’000 Kubikmeter Wasser aus den Kraftwerken können hier zwischengespeichert werden, bevor es dann gedämpft in die Aare abgeführt wird. Damit schont das Becken die aquatischen Lebewesen.

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Das Beruhigungsbecken war lange eine komplexe Baustelle.

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Heute ist es das grösste Schwall-Sunk-Becken der Schweiz.

Lange Vorbereitung

Über Jahre hinweg untersuchte ein gutes Dutzend Fachexperten mit Vertretern des Bundesamts für Umwelt (BAFU) des kantonalen Amts für Wasser und Abfall (AWA), der Eawag (Wasserforschungsinstitut der ETH), von verschiedenen Umweltbüros und der KWO die Situation. Mehrere Szenarien wurden in der Analyse simuliert. Am Ende entschied man sich für die heute bestehende Variante mit dem 20’000 Kubikmeter fassenden Beruhigungsbecken und dem Unterwasserstollen mit zusätzlichen 60’000 Kubikmetern Volumen. Ein in der Schweiz einzigartiges Bauprojekt. Die Ökologie im Blick hat dabei der Gewässerökologe Steffen Schweizer von der KWO. Im Interview erklärt er, wie das Beruhigungsbecken funktioniert, wie die Fische und Insekten profitieren und welche Signalwirkung vom Projekt ausgeht.

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Steffen Schweizer (rechts) ist Gewässerökologe bei der KWO.

Welchen Vorteil bringt das Beruhigungsbecken?

Steffen Schweizer: Je nachdem, wie viel Wasser die Aare führt und wie schnell sie fliesst, entstehen unterschiedliche Lebensbedingungen für Insekten und Fische. Wenn man die Schwallrate – also die Rate, mit der das Wasser aus dem Kraftwerk in den Fluss fliesst – sehr schnell hochfährt, werden viele Tiere überrascht. Insekten, die sich an der Sohle festhalten, werden weggespült. Wenn man die Schwallrate langsam steigert, können sich viel mehr Tiere in Sicherheit bringen und werden nicht abgeschwemmt. Das konnten wir mit sogenannten Driftversuchen zeigen.

Und wie hilft das Becken, wenn kein Wasser mehr aus dem Kraftwerk kommt?

Bei der sogenannten Sunkrate ist der Moment entscheidend, wo gewisse Bereiche im Fluss wieder trocken fallen. Vor allem Jungfische laufen dann Gefahr, dass sie vom Hauptgerinne abgeschnitten werden und stranden. Dann freut sich der Fuchs. Das kann man verhindern, indem man die Sunkrate verlangsamt.

Was verbessert sich dadurch für die Ökologie?

Es wird mehr Insekten und wahrscheinlich auch eine höhere und standorttreue Artenvielfalt geben. Die Menge der Insekten war bisher eher unterdurchschnittlich. Das sollte sich jetzt also ändern. Für die Fische verringert sich das Risiko des Strandens deutlich. Ausserdem profitieren sie auch von weniger Abschwemmung.

Aare, fischen, Fischer, Angler, angeln, Alpenfischer, Alpen fischen, Petri-Heil, Petri HeilZur Person
Steffen Schweizer (43) ist in Stuttgart geboren. Er hat in Freiburg und Karlsruhe studiert und an der ETH in Zürich promoviert. Seit 2007 arbeitet er bei der KWO als Gewässerökologe. Er lebt mit seiner Familie in Meiringen.

 

Das Beruhigungsbecken verbessert also den Lebensraum der Tiere in der Hasliaare?

Sobald der Schwallabfluss zu gross ist, haben Larven und Jungfische nicht mehr die Lebensbedingungen, die sie bräuchten. Sie bräuchten flache Ufer mit Kieselsteinen, die schwach durchströmt sind. Dort können sie sich halten und sich vor grossen Fischen schützen. Diese Morphologie fehlt aber in der Hasliaare. Ohne die Kraftwerke wären die Abflussraten im Mai und Juni bei 70 Kubikmetern pro Sekunde und mehr. Und die Situation für die Fische wäre nicht wirklich besser.

Das Schwall-Sunk-Becken hilft also nur zum Teil?

Durch ein zusätzliches Kraftwerk wird die Schwall-Sunk-Problematik verstärkt. Unsere Studien zeigen, dass durch das Beruhigungsbecken eine deutliche Verbesserung für die Insektenlarven und Jungfische entsteht. Und zwar besser als vor dem Kraftwerksausbau.

Was kann man noch tun, um die Ökologie in der Hasliaare zu verbessern?

Als ökologischen Ausgleich für den Bau des Beruhigungsbeckens hat die KWO eine 300 Meter lange Musterstrecke vor der Aareschlucht erstellt. Dort wurden verschiedene Massnahmen zur Verbesserung des Lebensraums geschaffen. Dazu gehören ins Gewässer eingebrachte Tothölzer (Baumstämme, Wurzelstöcke), Belebtsteingruppen, und eine Fischgarage. Zudem haben wir die Buhnenstruktur optimiert.

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Die neue Musterstrecke in der Hasliaare verbessert die Lebensbedingungen für Jungfische.

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Dazu gehören ins Gewässer eingebrachte Tothölzer (Baumstämme, Wurzelstöcke), Belebtsteingruppen, und eine Fischgarage.

Und was bringt das?

Erste Untersuchungen zeigen, dass man in dieser Musterstrecke deutlich mehr Jungfische findet. Auch bei grösseren Abflüssen von 70 Kubikmetern pro Sekunde können sich die Fische in der Musterstrecke halten, wie eine erste Erfolgskontrolle von letztem Herbst gezeigt hat. Wahrscheinlich können auch noch höhere Abflusswerte von den Jungfischen toleriert werden. Weitere Untersuchungen dazu laufen.

Wird es weitere Musterstrecken geben?

Der Kanton plant solche Musterstrecken zwischen Meiringen und dem Brienzersee. Sie wollen dabei aus unseren Erfahrungen lernen. Ausserdem können sich andere bauliche Massnahmen an der Hasliaare nun nicht mehr hinter dem Schwall-Sunk-Problem verstecken. Das führt langfristig zu einer besseren Morphologie.

Die KWO ist mit dem Becken also ein Vorreiter in der Schweiz?

Ja, es ist das erste Schwall-Sunk-Becken der Schweiz, was in dieser Grössenordnung gebaut wurde. Das hängt mit der Änderung des Gewässerschutzgesetzes zusammen. 2011 ist festgelegt worden, dass bis 2030 alle Wasserkraftwerke in Bezug auf die Gewässerökologie saniert werden müssen. Wir haben aber schon vor dem neuen Gesetz diese Massnahmen geplant. Jetzt sind wir landesweit die ersten, die nach den neuen Vorgaben gebaut haben.

Wenn die KWO ihre Wasserkraft weiter ausbaut, wird das Beruhigungsbecken dann irgendwann zu klein?

Beim Trift-Projekt haben wir das angeschaut und gezeigt, dass wir die heutigen Grenzwerte auch in Zukunft einhalten können. Wenn zusätzlich die Grimselstaumauer erhöht wird, sollte es immer noch reichen. Das müssten wir dann aber noch genauer untersuchen. In jedem Fall können die genannten Grenzwerte aber auch betrieblich eingehalten werden.

Aare, fischen, Fischer, Angler, angeln, Alpenfischer, Alpen fischen, Petri-Heil, Petri HeilDie Schwallrate ist die Zunahme des Abflusses in der Aare bei der Wasserrückgabe vom Zwischenspeicher (oder Kraftwerk). Die Sunkrate ist der Abflussrückgang in der Aare, wenn kein Wasser aus der Stromproduktion mehr fliesst. Mit dem Beruhigungsbecken steigen und fallen diese langsamer als ohne.
Grafik: Rebecca Mühlheim

Publikumstag – Wie aus Wasser Strom wird

Mit einem Publikumstag am Samstag, 3. September 2016, gewährt die KWO Einblick in die neuen Kraftwerksanlagen an der Handeck und in Innertkirchen

 

 

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