Etwas sanfter, etwas launischer, aber keinesfalls weniger fischreich und weniger schön als die alpinen Bäche: Das ist die Schüss (La Suze), ein rund 40 Kilometer langes Flüsschen im Berner Jura (CH).
Text und Bilder: Nino von Burg
Es ist etwas weniger als zehn Jahre her, als ich zum ersten Mal das Berner Jahrespatent löste. Damit lassen sich unzählige Fliess- und Stillgewässer im ganzen Kanton befischen, dazu gehört natürlich auch die Schüss. Ich kannte die Juragewässer Birs und Schüss nur vom Hörensagen, war aber zuversichtlich, dass ein etwas niedriger gelegener Bach für den Eröffnungstag am 16. März perfekt sein müsste – vor allem wenn man mit der Fliege erfolgreich sein möchte.
Lange vor der Morgendämmerung erreichten mein Bruder und ich an jenem Eröffnungstag den Berner Jura, wir waren uns sicher die ersten zu sein. In kompletter Dunkelheit machten wir unsere Ruten bereit und suchten die Schüss. Mit dem ersten Licht des Tages fanden wir einen geeigneten Abschnitt und legten los. Nach einer Stunde fischen waren wir etwas ernüchtert. Wir hatten noch keine Flosse gesehen, waren dafür aber unzähligen anderen Fischern begegnet. Viele von ihnen waren mit Köderfisch oder Wurm unterwegs, die meisten waren auch erfolgreich.
Viel Abwechslung
Unsere erste Begegnung mit der Schüss war also etwas schwierig und so fischten wir in jener Saison hauptsächlich an der Birs, dem zweiten Berner Juragewässer. In den darauffolgenden Jahren blieb zwar die Birs unser Lieblingsbach, doch hin und wieder gaben wir der Schüss wieder eine Chance. Die Schüss ist nicht einfach zu befischen und sehr launisch. So fingen wir zum Teil unter identischen Verhältnissen am einen Tag sehr gut und an einem anderen gar nicht. Was uns immer wieder an die Schüss zog, war das Gewässer an sich. Kaum ein anderer Fluss kann auf einer Länge von 40 Kilometer mit nur einem Patent befischt werden und bietet vergleichbar viel Abwechslung.
Die Schüss fliesst in vielen Bereichen komplett frei, nur wo unbedingt nötig wurde sie begradigt und gesichert. Deshalb ist auch die Geschiebedynamik nur wenig beeinträchtigt. Vom kleinen steilen Mittelgebirgsbach, über mäandrierende Wiesenbachbereiche bis zu abenteuerlichen Schluchtstrecken ist alles zu finden. Das einzige, was alle Abschnitte gemein haben, ist ein gesunder Bachforellenbestand. Von der Fischereiverwaltung wird die Schüss in drei Strecken aufgeteilt. Der oberste Abschnitt reicht von der Quelle bis nach Cormoret. Hier fliesst die Schüss als junges Bächlein über Weiden und durch Siedlungen. Ab Cormoret wird die Schüss schnell grösser und durchfliesst bewaldete Gebiete und eine kurze Schluchtpassage. Von Rondchatel aus geht es dann durch die atemberaubende Taubenlochschlucht und die Stadt Biel bis zum Bielersee. Vor allem die Taubenlochschlucht ist ein Erlebnis und ein Abenteuer für sich.
In der Stadt Biel ist aus der Schüss dann ein richtiges Flüsschen geworden. Obwohl in den letzten Jahren abschnittsweise renaturiert worden ist, herrscht hier eine kanalartige Struktur vor. Und auch wenn die Eröffnungstage an der Schüss bis heute gut besucht sind, ist der Befischungsdruck nicht mit dem der Vergangenheit vergleichbar. In den «guten alten Zeiten» wurden die untersten Schüsskilometer zu Saisonbeginn regelrecht belagert. Immerhin bestanden sehr gute Chancen eine der zahlreichen aus dem Bielersee aufsteigenden Seeforellen zu fangen.
Chalk stream
Kalkflüsse sind dafür bekannt mit ihrer leicht basischen Wasserchemie eine breitere Palette an Insekten zu beherbergen. Dies ist auch im Fall der Schüss so. Für den Fliegenfischer ergeben sich daraus zwei wesentliche Konsequenzen. Im Gegensatz zu den meisten alpinen Fliessgewässern spielt es an der Schüss eine Rolle welche Fliege man an welchem Vorfach anknüpft. «Irgendetwas, das der Fisch sehen kann» genügt nicht! Wer also ein wenig die Natur beobachtet und den einen oder anderen im Wasser liegenden Stein umdreht, bedient nicht nur das Müggeler-Klischee. So kann es durchaus auch für den Zapfen- oder Tippfischer eine gute Idee sein auf ein passendes Kunstfliegenmuster zurückzugreifen. Natürlich funktionieren aber auch Wurm, Made und die gängigen Spinnköder.
Dass die Schüss etwas zickig sein kann, erlebte ich wieder bei meinem letzten Besuch. Einen ganzen Morgen lang fischten Pascal und ich an verschiedenen Abschnitten und konnten kaum etwas fangen. Bereits auf dem Nachhauseweg hielten wir noch kurz in Biel um die Renaturierungen zu begutachten. Wir machten dann spontan ein paar Würfe und bereits nach kurzer Zeit konnte Pascal mit einer an der Pose geführten Nymphe doch noch einen guten Fisch überlisten. Kein Spitzentag – aber genug Motivation für ein nächstes Mal an der herrlichen Schüss.
Faktenbox
Die Schüss entspringt auf etwa 900 Meter über Meer bei La Chaux de Fonds. Nach rund 42 Kilometer mündet sie in Biel in den Bielersee auf 429 Meter über Meer.
Sie ist in drei Abschnitte unterteilt. Der oberste Abschnitt (Gewässercode 233) beginnt bei der Quelle und endet in Cormoret.Die Strecke 235 folgt dann bis Rondchâtel und schlussendlich folgt die Strecke 238 bis zur Mündung in Bielersee. Reglement BachforelleFangsaison: März bis 30. September Entnahmefenster: 1. Bis 30. September zwischen Bözingen und Bielersee: 26 bis 45 Zentimeter PatenteDie Schüss gehört zum Berner Patentsystem. Weitere Infos unter: http://www.vol.be.ch/vol/de/index/natur/fischerei/angelfischerei/patente/bezug.html |