Immer mehr Kormorane, immer weniger Forellen und Äschen: Die Arbeitsgemeinschaft der Fischereiverbände der Alpenländer (ARGEFA) ist alarmiert. Erst recht, weil der Klimawandel die Fische zusätzlich bedroht. An der Jahrestagung in Schaffhausen forderten die Fischereiverbände von Baden-Württemberg, Bayern, Liechtenstein, Österreich, Schweiz, Slowenien und Südtirol von der Politik „endlich konkrete und spürbare Massnahmen“.
Medienmitteilung ARGEFA – Schaffhausen, 18.11.2019
Die Arbeitsgemeinschaft der Fischereiverbände der Alpenländer (ARGEFA) stellt fest, dass sich die Situation mit dem Kormoran, insbesondere im Alpenraum, massiv verschärft hat. Geradezu alarmierend ist die Situation in Baden-Württemberg und der Schweiz. Die Brutbestände der Kormorane nehmen seit knapp 20 Jahren massiv zu, eine Trendwende ist nicht in Sicht. Anders in Bayern: Dank eines konsequenten Kormoranmanagements konnten die Bestände des Kormorans stabilisiert werden, wenn auch auf hohem Niveau. Neue Brutkolonien werden nicht toleriert.
Kormorane fressen Äschen und Forellen zu Tode!
Für gefährdete Fischarten (speziell die Äsche) in den Fliessgewässern ist und bleibt der Kormoran eine existenzielle Bedrohung. Aufgrund seines grossen Aktionsradius bei der Beutesuche sind Kormoranpopulationen an den stehenden Gewässern ins Management zu integrieren und in ihrer Anzahl deutlich zu reduzieren. „Wir fordern endlich eine wirkungsvolle Ursachenbekämpfung statt der aktuell nötigen, aufwändigen und teuren Symptombekämpfung“, ruft die Delegiertenversammlung der ARGEFA am Samstag in Schaffhausen den Behörden der EU, der Schweiz und den Regierungen der Alpenländer zu.
Mit Beschluss vom 12. Juni 2018 fordert das Europäische Parlament die EU-Kommission auf, „gemeinsam mit den Mitgliedstaaten Maßnahmen zu ergreifen, die die Kormoranbestände mit allen Mitteln drastisch auf ein derartiges Maß reduzieren, dass einerseits die Bestandserhaltung der Kormorane gewährleistet wird und andererseits keine Bedrohung für andere Arten entsteht und Schäden in den betroffenen Aquakulturen abgewendet werden.“ Die ARGEFA verlangt endlich ein ganzheitliches, europäisches Kormoranmangement mit möglichen Eingriffen in die Brutgebiete.
Klimawandel: neue Gefahr für Fische
Zusätzlich zum Raubvogel Kormoran werden die Fische durch den Klimawandel bedroht. Wärmere Temperaturen bedeuten wärme Gewässer. Das löst bei den Fischen Leiden oder Tod aus. Während sich die Forelle in höher gelegene, kühlere Gewässerabschnitte zurückziehen kann, wird die Äsche durch die steigenden Temperaturen an den Rand des Aussterbens gedrängt.
Damit die Äsche als Indikator für intakte grössere Fliessgewässer und auch als Kulturgut erhalten werden kann, müssen dringend Massnahmen umgesetzt werden. Dass diese dringlich sind, verdeutlicht die von der Schweiz geplante Verschärfung des Gefährdungsstatus der Äsche im Bundesgesetz über die Fischerei von «gefährdet» auf „stark gefährdet». Damit sind auch die Behörden zusätzlich gefordert, den Schutz der Fischbestände zu verstärken.
Nötige Massnahmen
Die nationalen und regionalen Fischereiorganisationen fordern seit Jahren die Umsetzung von folgenden Massnahmen im Interesse des Lebensraums im und am Gewässer:
- Reduktion der schädlichen Auswirkungen von Wasserkraftanlagen (Vermeidung Sunk-Schwall und Restwasserstrecken, Bau von Wanderhilfen, ökologische Ausgleichsmassnahmen)
- Verzicht auf den Bau neuer Wasserkraftwerke in intakten Gewässerabschnitten oder potentiellen Renaturierungsabschnitten
- Verbesserung der Gewässerstrukturen und Wiederherstellung eines intakten Geschiebehaushaltes
- Zeitgemässer und naturnaher Gewässerunterhalt, welcher eine natürliche Beschattung der Gewässer ermöglicht
- Vernetzung und Aufwertung bedeutender Seitengewässer
- Senkung der chemischen Belastung der Gewässer durch Pestizide, Mikroverunreinigungen, Siedlungsentwässerung etc.
- Reduktion der Kormoranbestände auf ein Mass, das nachhaltige Fischbestände zulässt.
INFO 1: Hintergrundwissen zum Kormoran
Der europäische Kormoranbestand ist höher als jemals zuvor. Diese Vogelart ist, im Gegensatz zu den von ihr bedrohten Fischarten, nicht gefährdet und breitet sich seit Jahren in Gebieten aus, in denen sie als Brutvogel niemals heimisch war. Aktuelle Zahlen aus den Alpenländern belegen den explosionsartigen Anstieg der Kormoranbestände, insbesondere in Baden-Württemberg und der Schweiz, aber auch in den anderen Alpenländern. Während die Zahlen der Winterzählungen auf einem inakzeptablen hohen Stand konstant sind, nehmen auch die Brutbestände dramatisch zu. Der daraus resultierende Frassdruck durch Kormorane auf die Fischbestände verstärkt sich damit von Jahr zu Jahr. Eine Trendumkehr ist nicht absehbar. Den Ländern mit hohen Kormoranbruten kommt hier deshalb eine besondere Bedeutung zu, die Bestände zu reduzieren. Um dieses Ziel zu erreichen, ist eine Ursachenbekämpfung (d.h. massive Reduktion der gesamten Kormoranpopulation z.B. durch Eingriffe in den Brutgebieten) deutlich wirkungsvoller als die Symptombekämpfung durch die Bejagung in den Fliessgewässern oder an den Netzen der Berufsfischern. Aktuell ist und bleibt die Bejagung und Vergrämung der Kormorane insbesondere in den Fliessgewässern die einzig mögliche Schutzmassnahme zum Erhalt der bedrohten Fischarten wie der Äsche. Neben dem Kormoran, steigt auch Population des ebenfalls fischfressenden Gänsesägern im Alpenraum ungebremst.
Grafiken überwinternde Kormorane und Kormoranbruten:
INFO 2: Massnahmenkonzept Hitzesommer
Die lokalen Schaffhauser Fischer haben zusammen mit dem Schweizerischen Fischerei-Verband SFV ein ausführliches Massnahmenkonzept*) zum Schutz von kälteliebenden Fischarten in Hitzesommern erarbeitet. Durch die Schaffung von Kaltwasserzonen und die Vernetzung mit kühlen Seitengewässern konnte beispielsweise im Hitzesommer 2018 die Überlebensrate der Äschen im Hochrhein deutlich erhöht werden. Die Massnahmen basieren auf den gemachten Erfahrungen und Erkenntnissen mit dem grossen Äschensterben 2003.
Ohne eine konsequente Kormoranvergrämung, welche seit 25 Jahren in tausenden von Fronstunden durch die Fischer Jahr für Jahr ausgeführt, wäre die Äsche im Hochrhein längst verschwunden. Die Kormoranzählungen am Untersee belegen neue Rekordzahlen beim Kormoran. Es ist deshalb wahrscheinlich, dass viele Äschen, welche sich im Hitzesommer 2018 in den kühlen See zurückgezogen haben, in den Kormoranmägen endeten. Diese wichtigen Elternfische fehlen nun für einen rascheren Wiederaufbau des Äschenbestandes im Hochrhein.
*) SFV: «Massnahmenkonzept Hitzesommer und Fischerei», 2019
Download über die Webseite des SFV
Über die ARGEFA
Die Fischereiorganisationen der Alpenländer arbeiten seit 1985 als «Arbeitsgemeinschaft der Fischereiverbände der Alpenländer» (ARGEFA) eng zusammen. Zentrales Anliegen ist die Erhaltung und grenzüberschreitende Förderung der Fischerei und der Schutz der Gewässer im Alpenraum.
Vorrangige Ziele sind die Verhinderung weiterer gewässerschädlicher Ausbaumaßnahmen, die Wiederherstellung der Durchwanderbarkeit der Gewässer und ihre Vernetzung sowie der Erhalt bzw. die Wiederherstellung eines gesunden, artenreichen Fischbestandes.
In der ARGEFA sind der Landesfischereiverband Baden-Württemberg, der Landesfischereiverband Bayern, der Fischereiverband Liechtenstein, der Österreichische Fischereiverband, der Schweizerische Fischerei-Verband, der Landesfischereiverband Südtirol und die Slovenian-Fishing-Association vertreten. Gemeinsam vertreten sie die Interessen von über 500.000 Anglern.
Kontakte
Schweizerischer Fischerei-Verband SFV, Wankdorffeldstrasse 102, 3000 Bern 22
Philipp Sicher (Geschäftsführer)
E-Mail: p.sicher@sfv-fsp.ch
Mobil: +41 79 218 59 21
Samuel Gründler (Artenschutz / Fischer schaffen Lebensraum
E-Mail: s.gruendler@eh-ing.ch
Mobil: +41 79 701 35 39
ARGEFA, c/o Landesfischereiverband Bayern e.V., Mittenheimer Straße 4,85764 Oberschleißheim
Thomas Funke
E-Mail: thomas.funke@lfvbayern.de
Mobil: +49 179 129 7208