Für Roger, den 30-jährigen Vollblutangler, ist das langersehnte Wochenende greifbar nahe. Er hat Pläne geschmiedet für einen Samstag morgendlichen Bergseetrip mit Freunden. Nun liegt nur noch das nach einer langen Woche wohlverdiente Feierabendbier mit seinen Arbeitskollegen dazwischen.
Der Abend verläuft prächtig und die Stimmung ist fröhlich. Die Zeit rast und der fast schon unmenschliche 05:00 Uhr «Frühstart-Termin» schreitet unaufhaltsam näher. Doch die Lust und Freude darauf, rückt für Ihn in weite Ferne. Gedanken wie «wir fangen ja ex nix» oder «ausschlafen wäre jetzt will besser» bekommen Oberhand und sein beabsichtigtet Angelausflug wird subito per Whatsapp-Gruppenchat abgeblasen.
Gut erholt nach langem Schlaf, stellt sich bei ihm am folgenden Morgen doch leichtes Unbehagen ein. «Wieso habe ich meine Kumpels im Stich gelassen», fährt es ihm durch den Kopf. «Hatte ich nicht bereits vor paar Wochen einen Angelausflug sausen lassen? Wann war ich eigentlich das letzte Mal richtig fischen?» Der Blick in die Statistik mit den Einträgen für die Gänge ans Wasser bestätigte Ihm dies deutlich – es war verdammt lange her. Aber was ist der Grund, dass dem für Ihn lange liebsten Hobby nicht mehr gefrönt wird? Ist es die mangelnde Zeit, eine andere Freizeitbeschäftigung oder der kräftezehrende Beruf?
Nein, it’s the fishing, stupid! Und nichts anderes! Der Lack scheint ab zu sein. Die Fänge der letzten Ausflüge ans Wasser mit Angelrute blieben überschaubar und wurden durch Wanderungen ohne Tackle ersetzt. Der samstägliche Gang zum Fischereiartikelgeschäft machte Ihm plötzlich keinen Spass mehr, da die Stimmung dort an Magie eingebüsst hatte. Die Angelmagazine langweilten Ihn und das zehntausendste Fangbild ohne Detail aus dem Socialmedia-Jungle hatte den Reiz schleichend aber nachhaltig verloren. Und die fernen Reiseziele zum Fang der Träume wurden vom riesigen CO2-Fussabdruck brutal zertrampelt.
Aufbruchsstimmung sah er nur noch in politischen Themen und deren Initiativen, um unsere vergifteten Gewässer mit viel Glück zu retten. Aber dort gerieten die Angler in zermürbende Grabenkämpfe selbst mit Organisationen, die ähnlich gelagerte Interessen vertreten. Nur mit dem Unterschied, dass wir keine einheimischen «fliegenden Fische» haben. Und die PETA drohte vollen Ernstes mit Schlagzeilen wie «die besten Tipps, was sie gegen Angler tun können» und rückte damit ins mediale Rampenlicht. Und der Bundesratsentscheid betr. Rösti-Initiative zum Thema Referenzzustand kam einer fischereilichen Apokalypse gleich.
Nun reichte es Roger! Es war für Ihn Zeit sich vom Angeln zu verabschieden. Lauthals schrie er um Hilfe: «Wir alle wollen doch in unserer frei gewählten Freizeitbeschäftigung nicht noch Ärger und Probleme von allen Seiten, oder?»
Sein Handy vibrierte. Das Bild vom Angelkumpel Reto und einer silbernen riesigen Forelle blitzte auf.
Die Message: «64 cm, gefangen im Flussrevier 12, kommst auch?» Roger packte sein Angelzeugs zusammen und war dann mal weg…
Der QuerdenkerEr nennt die Dinge beim Wort, betrachtet uns Fischer aus der Ferne, neigt zur Provokation und pointiert. Sind wir wirklich so, haben wir uns in unserem Tun verrannt? «Auch du kannst ein Querdenker sein; sende uns deinen Text, anonym, wenn du möchtest.» |