Es gibt Situationen, wo eine filigrane Trockenfliege oder eine fein präsentierte Nymphe jedem anderen Köder überlegen sind. Die Forelleneröffnung im März an grossen Mittellandflüssen ist keine solche Situation.
Text: Nino von Burg, Bilder und Videos: Oli und Nino von Burg
Soll ich mir die Eröffnung wirklich antun? Kaltes Wasser, kalte Luft, kalte Finger. Viele Fischer, keine Forellen, schon gar keine «Fliegen-Forellen». Als Fliegenfischer hat man zwei Möglichkeiten mit der unbefriedigenden Lage umzugehen. Entweder man geht nicht hin, beziehungsweise direkt ans Vereinshausbesäufnis, oder man entscheidet sich dazu seinen fischereilichen Horizont etwas zu erweitern. Denn etwas ist klar: Die Forellen beissen schon – nur nicht auf Nymphen und Trockenfliegen. Wer also mit intakten Fangchancen am grossen Mittellandfluss zu stehen gedenkt, braucht einen «besseren Köder». Ich persönlich wähle in ähnlichen Situationen oft und gern die Spinnrute. Wobbler und Spinner sind immer einen Versuch wert. Aber nicht an der Forelleneröffnung an meinem Heimgewässer!
Am ersten Sonntag im März muss die Fliegenrute her. Diese Entscheidung schränkt natürlich ein, denn damit ist der Köder bestimmt. Ich habe es lange nicht eingesehen und meine Verwendung von Nymphen mit einigen wenigen Fängen und diese wiederum mit dem schlechten Forellenbestand gerechtfertigt. Wer an grossen Flüssen mit bescheidenem Bachforellenaufkommen bei tiefen Wassertemperaturen fangen will, kommt am Streamer fast nicht vorbei.
Das richtige Kampfgewicht
Oft wird für die Streamerfischerei die Schnurklasse sechs empfohlen. Ich empfinde es als wenig vergnüglich mit einer solchen Rute grössere Fliegen zu werfen. Schon etwas grosszügiger beschwerte, kleine Wooly Bugger können mir da den Spass am Fischen verderben. Die Schnurklasse sechs mag passend sein für mittelschweres Nymphenfischen, oder als Kompromiss bei gelegentlichem Streamereinsatz am kleineren Fliessgewässer. Für die eigentliche Streamerfischerei im Fluss ist sie völlig ungeeignet. Die Schnurklasse acht, einige würden sie höchstens für den Hechtstreamer aus dem Rohr ziehen, kommt der Sache in meinen Augen schon näher. Am grossen Fluss leistet sie gute Dienste beim Nymphenfischen mit sehr schweren Goldkopfnymphen-Springer-Kombinationen und beim spätsommerlichen Streamern auf Alet. Einen Forellenstreamer, der die anvisierte 50er Forelle am Flussgrund betören soll, packt eine Ruten-Schnur-Kombination in dieser Gewichtsklasse nicht. Der Grund dafür ist nicht die Fliegengrösse, sondern das Fliegengewicht. Die Fliege ist eben alles andere als ein Fliegengewicht, sie muss ja schliesslich ganz runter zum Grund. In grossen, teilweise kanalisierten Flüssen können das zwei Meter und auch weit mehr sein. Die starke Strömung ist dabei nicht zu vergessen. Verstehe mich nicht falsch. Natürlich kannst du einen schweren Streamer mit der 8er werfen. Ist er sehr schwer, geht es sogar ohne Rute.
Die Amis
Richtig komfortabel werfen lassen sich ein bis vier Gramm schwere Streamer mit sehr kompakten Zweihandschussköpfen, sogenannten Skagit Köpfen. Diese Schnüre vermögen solche Gewichte zu transportieren und mit entsprechend langen Sinktips bringen sie den Streamer auch hinunter zum Fisch. Ausserdem benötigen sie beim Wurf extrem wenig Rückraum. Konstruiert wurden Skagit-Köpfe ursprünglich für die (winterliche) Steelheadfischerei in Nordamerika. Man sagt auch, amerikanische Guides hätten nach solchen Schnüren verlangt, damit ihre unerfahrene Klientel am Wasser schneller zum Erfolg kommt. Das Werfen von Skagit-Köpfen mit Zweihandruten ist nämlich wirklich nicht besonders anspruchsvoll. Die Schnüre sind kurz, massiv und vor allem aggressiv. Sie besitzen nur eine minimale Frontverjüngung. Beim Werfen muss im vordersten Teil der Schnur noch genug Energie vorhanden sein um ein drei bis fünf Meter langes Sinktip und eine schwere Fliege auszurollen. Nur ein solch rustikales Schnurprofil ist dazu im Stande.
Das Setup
Wenn man nicht gerade Gummifische und sinkende Wobbler durch die Gegend schleudern will, genügen bei normalen Wasserständen leichtere Skagit-Setups zwischen 25 und 30 Gramm. Ein Skagit-Schusskopf funktioniert nur mit einem Sinktip, welches bei den klassischen Skagit-Würfen neben der Fliege als Anker im Wasser dient. Sinktips sind parallel, also unverjüngt, und in verschiedenen Sinkraten als Meterware oder schon an beiden Enden geloopt erhältlich. Theoretisch gibt es für jeden Fischer eine ideale Gesamtlänge von Schusskopf und Sinktip. Da sich jedoch je nach Wattiefe die «Körpergrösse» ändert, müsste man auch die Schnurlänge ständig anpassen. Weil die Skagit-Schnüre äusserst willig sind und sowieso unbedingt fliegen wollen, ist die perfekte Abstimmung nicht so entscheidend. Insofern kann man die Länge des Sinktips variieren.
Leider werden von Herstellern, aber auch von Händlern oft viel zu schwere Schnurgewichte empfohlen. Da Skagit, wie bereits erwähnt, viel verzeiht, funktioniert das dann meistens auch irgendwie. Faustregeln wie maximales Schusskopfgewicht der Rute plus 10 – 20 % mögen für den tollpatschigen Kunden des amerikanischen Steelheadguides passen, für den Fliegenfischer mit etwas Zweihanderfahrung sind sie schlicht und einfach Blödsinn. Wer den Skagit-Head vorwiegend mit wasserankernden Würfen wie Double Spey und Snap T wirft, sollte sich am maximalen Wurfgewicht der Zweihandrute orientieren. Es zu überschreiten ist sehr selten nötig. Mit meiner Standard Forellentube werfe ich Skagitköpfe aber auch gerne Single Spey, also mit kurzem Wasserkontakt. Weil das Sinktip dann kaum einsinkt, ist es quasi Bestandteil des Schusskopfes. Es ist dann eigentlich ein etwas unharmonischer Scandi-Head mit Sinkspitze. Bei einigen Ruten wähle ich deshalb den Schusskopf sogar leichter als die Minimumangabe. Schlussendlich muss aber jeder selbst seine Wohlfühlkombi finden.
The Swing
Eine Fliege swingen zu lassen geht auf die Ursprünge der Fliegenfischerei zurück. Die swingende Nassfliege ist der Klassiker schlechthin. Dass ihre Forellen die Fliege wohl eher für ein Brutfischchen hielten, als für ein Insekt, muss man ja den edlen Engländern nicht verraten.
Wie bei der Steelheadfischerei ist der Swing auch beim Streamerfischen auf Bachforellen eine ausgezeichnete Präsentationstechnik. Auf diese Weise kann man auch grössere Gewässer sehr gründlich abfischen. Die Geschwindigkeit des Swings muss dem Temperament und dem «Biorhythmus» des Zielfischs angepasst werden. Anfang März ist in der Regel Bremsen angesagt. Für das Tempo des Swings sind neben der Fliessgeschwindigkeit vor allem zwei Dinge entscheidend. Zum einen ist das der Winkel, mit dem man die Fliege stromab wirft. Wirft man eher quer zur Strömung, also in Richtung anderes Ufer, wird der Swing schnell. Je steiler man stromab wirft, desto langsamer der Swing. Aber auch nach dem Wurf kann man die Swinggeschwindigkeit noch beeinflussen. Ein Mending stromauf verlangsamt den Swing, das Umlegen der Schnur stromab macht ihn schneller. Natürlich kann man auch durch Schnur einstrippen Tempo machen. Wenn der Streamer ein gutes Eigenspiel in der Strömung hat, kann dies beim Swingen im kalten Wasser allerdings kontraproduktiv sein.
Slooooow
Im März möchte ich manchmal ultralangsam fischen. Die Forellen sind einfach noch zaghaft und brauchen etwas mehr Zeit. Dann und bei hohen Wasserständen tausche ich neuerdings meinen schwimmenden Schusskopf gegen ein Intermediate-Modell. Ich habe noch nicht viel Erfahrung damit, aber es macht definitiv etwas aus. Direkt nach dem Ablegen der Schnur folgt das «Verlangsamen-Mending» stromauf. Die Schnur sinkt dann leicht ein und klebt förmlich in der Strömung. Wenn ich dann mit der Rute der Schnur folge, bin ich immer wieder erstaunt wie gemächlich das Ganze swingt.
Auch mit der Zweihandrute wirst du am grossen Fluss nicht immer erfolgreich sein, aber du hast am Ende eines Märztages wenigstens die Gewissheit seriös gefischt und es wirklich probiert zu haben. Und spätestens wenn eine der seltenen grossen Flussforellen deinen Streamer packt und deine Rollenbremse surrt, wird dein Heimgewässer ein klein wenig zum Lachsfluss für Budgetorientierte.
Faktenbox
Empfohlenes GerätMüsste ich mich für eine Kombo entscheiden, wäre es die 12 ft. lange Rute mit einem 420 Grain (ca. 27 Gramm) schweren Kopf. Mit ihr kann ich die meisten Situationen abdecken. Auch Switchruten können den Job machen. Oft werden beim Skagit 13 bis 14 ft. lange Zweihänder gefischt. Die expliziten Skagitruten wirken auf mich zwar kraftvoll, aber leider auch etwas gefühllos oder sogar plump. Ausserdem sind mir lange Zweihandruten beim Forellenfischen zu krampfig. Für mich funktionieren die europäischen Ruten, die für den Unterhandstil konzipiert sind, mit den amerikanischen Schnüren viel besser – wenn man die Ruten nicht überlastet. Bei den Schnüren ist das so eine Sache. Fast jeder Hersteller hat heute einen Skagitkopf im Programm. Leider muss ich sagen, dass mich nur der Airflo Skagit Compact so richtig begeistert – und das in allen Gewichtsklassen. Bei den Intemediate Schnüren ist das anders. Da haben mehrere Produzenten brauchbare Leinen. Einige sinken auf der ganzen Länge ein, andere haben nur eine sinkende Spitze. Weil ich diese Schnüre so super finde, fische ich dieses Jahr wahrscheinlich öfter intermediate, dafür mit weniger Sinktip oder leichterer Fliege. Sinktips gibt es in verschiedenen Sinkraten, für sie existiert allerdings keine einheitliche Klassifizierung. Oft sieht man Angaben wie T7, T10 und T14 usw.. Wenn man mit verhältnismässig leichten Skagit-Köpfen fischt, sollte man nicht zu den schweren Tips greifen. Für die Sinktiefe ist die Tiplänge entscheidender als die Sinkrate. Für das Forellenfischen nehme ich je nach Hersteller die leichtesten oder die zweitleichtesten Sinktips. Diese fische ich dann dafür in verschiedenen Längen von drei bis 5,5 m. Die Beschaffenheit der Runningline ist Geschmackssache. Wer das klassische Handling bevorzugt, benutzt Runninglines mit geflochtenem Kern und einem Kunstoffmantel. Die Mono-Shootinglines sind zwar etwas gewöhnungsbedürftig, funktionieren im fischereilichen Einsatz aber ganz hervorragend. Wer am Grund fischt, muss mit Schnurabrieb beim Vorfach rechnen. Deshalb nehme ich ungefähr 0,25mm Fluorocarbon. Länger als einen Meter sollte das Vorfach beim Fischen mit Sinkschnüren nicht sein. |