Beim Vertikalangeln auf Zander geht es nicht um weite Würfe, sondern um ein geschicktes Handgelenk und viel Gespür. Stefan Tesch hat den Zanderprofi Rudolf Huth auf der Donau in Österreich begleitet.
Text und Bilder: Stefan Tesch
Damit hat heute keiner gerechnet. Kaum eine Viertelstunde am Wasser und schon biegt sich die Rute verheissungsvoll. Der Zander hat den hellgrünen Gummifisch hinter dem Brückenpfeiler gepackt. Und jetzt zaubert er dem stolzen Fänger Rudolf Huth ein Lächeln ins Gesicht. Er ist Teamangler des skandinavischen Angelgeräteherstellers Westin und hat dem heutigen Tag mit etwas Skepsis entgegengeblickt. «Die Zander sind derzeit besonders launisch», hat er in der Früh gemeint. Rudolf hat einen berufsbedingtes Faible für Brücken und daher war der erste Weg mit dem Motorboot schnurstracks zu diesem Hotspot.
Mit einer kurzen (1,80 m) Rute lässt sich der Köder gut führen und auch im Drill, nah am Boot, hat sie Vorteile.
Dort bot er den Gummifisch «vertikal» vom Boot an. Das bedeutet: Rudolf lässt den Köder an gespannter Leine bis zum Grund hinab. Dann hebt er ihn ganz langsam wenige Zentimeter in die Höhe, lässt ihn schweben, um ihn danach wieder sanft auf den Boden zu setzen. Diese auf den ersten Blick beinahe bewegungslose Methode nennt sich Vertikalangeln und ist prädestiniert für Zander sowohl in Fliess- als auch in Stillgewässern. In den Schwebephasen über Grund, die übrigens zwischen zwei und 20 Sekunden dauern können, lassen die Gummiköder ihre wahren «Muskeln» spielen. Je nach Köderform sind das Schwingungen und Bewegungen, die sie ans Wasser abgeben. Und das reizt die Stachelritter mächtig. Rudolf rät ausserdem: «Das Absenken zum Grund sollte im Zeitlupentempo passieren, denn hier erfolgt in den meisten Fällen der Biss.» Man imitiert damit einen Futterfisch, der den schützenden Grund sucht.
Jeder Gummiköder hat ein anderes Spiel. Welches den Zander überzeugt ist auszuprobieren.
Actionreich
Beim Vertikalangeln unterscheidet man zwischen Action- und No-Action-Shads. Köder der erstgenannten Kategorie sind zum Beispiel Gummifische mit Schaufelschwanz. Die Strömung versetzt sie dadurch in Bewegung, häufig um die eigene Achse. No-Action-Shads liegen auf den ersten Blick etwas ruhiger im Wasser, doch ihre Schwänze in Fransen-, Pin- oder V-Form produzieren feine Schwingungen und Vibrationen. «Man sollte unterschiedliche Formen in der Köderbox haben, denn es gibt keinen Universalköder, der immer fängt», fügt Rudolf hinzu, als er mir einen Gerippten in Aalform in die Hand drückt. «Keine Scheu vor grossen Ködern», meint er lachend. An seinem Donaurevier auf Höhe der Stadt Krems fischt er gerne und oft mit Modellen bis zu 25 Zentimetern. «Ich orientiere mich an den vorkommenden Futterfischen.» Im Sommer hingegen darf es mit rund zwölf Zentimetern etwas kleiner zugehen, jedoch jetzt im Herbst kommen die grossen Kaliber ans Vorfach. Da die Donau hier recht flott strömt, sind steifere Gummis von Vorteil, denn sonst kann es unter Wasser zu Verhedderungen kommen.
An diesem goldenen Herbsttag zeigt sich die Donau von ihrer schönsten Seite – nicht nur wegen des fulminanten Zanderauftaktes. Nachdem Rudolf die Kante hinter dem Brückenpfeiler zur Genüge abgefischt hat, geht es ein paar Kilometer stromabwärts zu einer langgezogenen Aussenkurve. «Hier ist das Wasser sauerstoffreicher als in der langsamer fliessenden Innenkurve», verrät Rudolf. In etwa sieben Metern Tiefe versucht er es erneut mit dem hellgrünen Gummifisch mit Wedge-Tail (die Schwanzflosse hat die Form eines Wulstes).
Auch wenn man beim Vertikalangeln auf den ersten Blick keine akrobatischen Meisterleistungen bringen muss, darf man die Köderführung trotzdem nicht vernachlässigen. «Immer zentimetergenau in einer Auf-Und-Ab-Bewegung den Grund abklappern», so Rudolf. Damit er ihn trotz Strömung penibel knapp über Grund anbieten kann, ist ein Jigkopf mit 40 Gramm notwendig. Diesmal hält er ihn jeweils knapp zehn Sekunden in der Schwebe, ehe er ihn wieder am Grund aufsetzt. Während er mit einer Hand das Köderspiel dirigiert, steuert die andere den Elektromotor, um ganz leicht abzudriften und somit ein Gebiet systematisch abzufischen. Geworfen wird beim Vertikalangeln vom Boot nämlich nicht. Kanten, so empfiehlt Rudolf, sollte man nicht nur der Länge nach, sondern auch quer im Zick-Zack Kurs abarbeiten. Während wir hier in der Aussenkurve den ansitzenden Kollegen am Ufer zuwinken, erzählt Rudolf, warum er nie in der tiefen Schifffahrtsrinne fischt. Nicht nur, dass es durch die Grossschifffahrt dort für kleine Fischerboote gefährlich ist, sondern auch für Zander ist ein Drill aus über zehn Metern lebensbedrohlich. Die Schwimmblase der Stachelritter ist nämlich – anders als etwa bei Hecht und Karpfen – nicht mit dem Verdauungstrakt verbunden, und der Fisch kommt beim Hochpumpen mit dem Druckausgleich nicht nach. In vielen Fällen führt das zum Tod.
Biss! Gott sei Dank ist es an diesem Angelplatz nicht so tief. Rudolf drillt den kräftigen Fisch an der feinen Rute vorsichtig zum Boot, wo schon der Kescher auf ihn wartet. Zum Hakenlösen kommt eine lange Zange zum Einsatz, denn der Zander hängt am Angstdrilling (Stinger). Ein Beweis dafür, dass er bei dieser Methode unverzichtbar ist. Gerade vorsichtige Fische beissen gerne nur in den Schwanz und würden so den Jighaken nicht zu spüren bekommen. Der prächtige Zander ist gute 70 Zentimeter lang. «Das Faszinierende am Vertikalangeln ist der ungeheuer brachiale Biss», freut sich Rudolf.
Hinsichtlich Angeltiefe orientiert sich der Zanderprofi an den Standorten der Futterfische. Während diese im Sommer häufiger im flachen Wasser vorkommen, kann man zur kalten Jahreszeit die Köder ruhig auch in sieben oder acht Metern anbieten. Zudem gilt im Sommer: Da der Zander lichtscheu ist, sollten an hellen Tagen tiefere Bereiche bevorzugt werden. Seichte Stellen kann man in der Morgen- oder Abenddämmerung in Angriff nehmen.
Mit Strategie
An unbekannten Gewässern rät Rudolf, unbedingt die offensichtlichen Hotspots, wie Hafeneinfahrten, Sporne oder Brückenpfeiler anzusteuern. Aber auch im scheinbar strukturlosen Strömen gibt es am Grund immer wieder einzelne, grosse Steine („Findlinge“), die Zander gerne als Verstecke nutzen. Ist die Verwendung eines Echolots verboten, können geübte Augen solche Findlinge durch markante Kräuselungen an der Wasseroberfläche erkennen. Kostenlose Tiefenkarten für die Donau findet man im Internet unter d4d-portal.info.
Der Köder, der gestern fängig war, muss heute nicht zwangsläufig auch erfolgreich sein. Rudolf verwendet zwar gerne das letzte Erfolgsmodell, doch arbeitet sich dann systematisch durch sein Sortiment. Zu Beginn kommt meist ein Action-Shad mit Schaufelschwanz zum Einsatz. «Damit erwische ich jene Zander, die gerade am Rauben sind und aggressiv auf sich schnell bewegende Beute beissen.» Bleiben diese Modelle ohne Erfolg, schaltet er in Sachen Action einen Gang hinunter und setzt auf Gummiköder mit kleinen Schaufeln oder auf No-Action-Shads und reizt damit sogar die faulsten Zander zum Anbiss. Puncto Farbe sollte man experimentierfreudig sein. Sie spiele, so Rudolf, zwar eine Rolle, doch es lässt sich daraus keine Faustregel ableiten. Heute ist die Donau ziemlich trüb und der neonfarbige Shad hat sich als besonders fängig erwiesen. «Hat man ein Modell, dann funktioniert das meistens den ganzen Tag gut», ergänzt Rudolf. Zwar führt er eine vielfältiges Arsenal an Ködern mit, doch sein Lieblingsköder ist ein heller No-Action Gabelschwanz mit zwölf bis 14 Zentimetern. «Der fängt nämlich im Sommer und im Winter».
Als nächsten Hotspot steuern wir eine kleine Insel am rechten Donauufer an und versuchen dort im flachen Wasser unser Glück. Da nichts beisst, wechselt Rudolf die Rute und wirft einen kleinen Shad an der Drop-Shot-Montage. «Vielleicht lässt sich damit ein Barsch überlisten», hofft er. Eine Viertelstunde vergeht ohne Biss und auch nach einer kurzen Kaffeepause lässt sich kein Schuppenträger überlisten. Besonders ehrgeizigen und hartnäckigen Anglern sei ans Herz gelegt: Wenn sich an einer Stelle absolut nichts tut, dann sollte man dort auch keine Zeit verschwenden, sondern gleich zur nächsten weiterfahren.
Am Nachmittag fahren wir mehrere Kilometer stromabwärts. In dieser idyllischen langgezogenen Kurve inmitten bewaldeter Ufer riecht es förmlich nach Zander. Und schon spürt Rudolf einen harten Biss an der Rute. Der Fisch wehrt sich vehement und er kann ihn nur langsam in Richtung Boot dirigieren. «Zander ist das keiner», scherzt er. Und er hat Recht: Eine kräftige Barbe mit gut 60 Zentimetern hat den Gummifisch genascht. Die Donau und ihre Fische sind eben immer für Überraschungen bereit.
Faktenbox
Montage & GerätWenn in einem Revier kaum Hechte vorkommen, kann man ein 0,35mm Fluorocarbon-Vorfach verwenden und auf Stahl verzichten. Auf der kleinen Baitcaster ist 0,13er Geflochtene aufgespult. Da man beim Vertikalangeln nicht auswirft, ist die Wahl der Rute keine Wissenschaft. Ideal sind aber kurze Modelle (1,8 Meter) mit sehr schneller Aktion, damit man die Präsentation des Köders gut unter Kontrolle hat. Bei zu weichen Ruten verliert man leicht das Gefühl, wann der Köder Bodenkontakt hat. Gewässerkarten der DonauKostenlose Tiefenkarten für die Donau findet man im Internet unter d4d-portal.info. VereineIn der Region gibt es zwei bewirtschaftenden Vereine: |