FELIX UND DIE RIESENFORELLE

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Dieser Fischer ist hier nicht mehr willkommen. (Zeichnung: Tanja Binder)

«super sache dass sich der alpenfischer für die nachhaltige fischerei einsetzt! das posten von ü90 seefo aufsteiger die ablaichen wollte kurz vor ende der schonzeit dient voll und ganz der sache. riesen mehrwert für alle fischer die sich für die nachhaltigkeit einsetzen. danke für euren super job» (Daniel Holzer auf Alpenfischer-Facebook)

Vorbemerkung

Das Zitat ist eine Facebook-Mitteilung, die wir erhielten, nachdem wir die Fangmeldung einer ü90er Seeforelle geteilt hatten. Viele öffentliche Kommentare auf unserem Kanal veranlassten den Fänger, uns per Email zu kontaktieren und zum Fang Stellung zu nehmen. Diese Infos sind in die folgende Geschichte miteingeflossen. Die Namen sind geändert. Die Fangmeldung, die wir geteilt hatten, wurde in der Zwischenzeit vom Poster gelöscht.

Wir vom Alpenfischer-Team waren einigermassen überrascht, wieviel negatives Feedback der Fischer für seinen Wahnsinnsfang erhielt.

 

Felix und die Riesenforelle

Teil 1

Schon als Kind fischte Felix am Kempbach. Wenn der Schnee Anfang Mai das Bachufer allmählich freigab, waren er und sein Vater bereit. Unterhalb der grossen Käserei fingen sie jeweils die ersten Forellen des Jahres. Die Käsereiabfälle machten die Fische gross und fett. Entsprechend üppig war die Beute von Vater und Sohn. Der Vater zeigte Felix alles: Das Montieren des Köders, das Auswerfen und natürlich das Behändigen und Töten der Fische. Felix war ein gelehriger Schüler und erlangte bis zu seinem 14. Geburtstag sämtliches Wissen, das einen guten Fischer ausmacht. Der Frühlingsanfang des darauffolgenden Jahres war für Felix ein ganz besonderer Moment. Er besass nun sein eigenes Fischerpatent und konnte unabhängig von seinem Vater den Forellen im Kempbach nachjagen. Das tat er oft und erfolgreich.

Noch heute, rund 40 Jahre später, mag Felix Forellen. Er mag sie am Haken und er liebt sie nach wie vor auf dem Teller mit Butter und Petersilie. Seine Fänge sind allerdings drastisch zurückgegangen. In seinen 40ern war es die Karriere, heute sind es ein lädiertes Knie und seine zwei kleinen Enkel, die ihn von dem ein oder anderen Gang an den Bach absehen lassen. Umso mehr engagiert sich Felix seit vielen Jahren im Fischerverein Kemp.Unermüdlich weist Felix auf die Faktoren hin, die es den Forellen heute unmöglich machen, den Kempbach als Laichgewässer zu nutzen. Besonders stört er sich am Abflussregime des Kraftwerkbetreibers. Sunk und Schwall sind der Hauptgrund dafür, dass sämtliche Fortpflanzungsversuche der Seeforelle im Kempbach zum Scheitern verurteilt sind. Die Forellengelege ersticken im Sediment, wenn sie nicht vom Schwall erfasst werden. Jahr für Jahr vergräbt er deshalb eigenhändig und mit Zustimmung des Kantons mehrere Tausend Seeforelleneier in den Nebenbächen des Kempbachs.

Teil 2

Ein sonniger Herbsttag lockte Felix vor einiger Zeit an den Kempbach. Er wollte dort ein paar Würfe machen und nach Möglichkeit noch eine frische Forelle nach Hause mitnehmen. Obwohl der Spot bei der alten Käserei schon lange nicht mehr viel hergibt, versuchte Felix dort sein Glück. Es dauerte nicht lange, da ruckte es kräftig an der Rute. Routiniert setzte Felix einen Anschlag. Sofort war ihm klar, dass da etwas Grosses angebissen hatte. Das musste eine der grossen Seeforellen auf vergeblicher Wanderung im Kempbach sein. Nach einigen Minuten, die Felix wie Stunden vorkamen, bewegte sich die Forelle in Richtung Wasseroberfläche, wo sie sich wütend wälzte. Felix hatte zwar Angst um sein 18er Vorfach, aber er blieb auf Spannung. Wie durch ein Wunder vermochte er schliesslich mit der dünnen Schnur seinen riesigen Kontrahenten zu sich heranzuziehen und griff mit der linken Hand geistesgegenwärtig nach der Schwanzwurzel. Als er mit dem Fisch am Ufer stand, wurde ihm so langsam bewusst, was gerade geschehen war: Sein Bach hatte ihm völlig unverhofft den Fisch des Lebens geschenkt.

Teil 3

Seltsam wurde die Geschichte dann einige Zeit nach Felix` Fang. Ein Fischershop veröffentlichte das Bild des stolzen Fängers mit seinem Fisch auf Facebook. Weil im Kempbach ein solcher Fang absolut sensationell ist, teilte ein eifriger Alpenfischer.com-Redakteur die Fangmeldung diesen Herbst auf der Alpenfischer-Facebook-Seite. Zu einigen freundlichen Glückwünschen gesellten sich bald sehr kritische Voten, die sagten, Felix hätte den Fisch nicht entnehmen sollen. Auch wir wurden in ironischer Art und Weise belehrt, dass wir mit dem Veröffentlichen oder Teilen von solchen Beiträgen Schaden anrichten würden (Zitat vom Anfang).

Echt jetzt? Als Alpenfischer ist es für uns wichtig, dass unsere Berichte kritisch betrachtet und natürlich auch kritisch kommentiert werden.  Wir sind darauf angewiesen, dass Leute hinterfragen, widersprechen und provozieren. Wenn sich jemand offensichtlich unkorrekt verhält, ist auch nichts falsch daran, ihm mal auf die Füsse zu treten. Es gehört irgendwie auch zu Social Media, dass man unkorrektes Verhalten vermutet und aufspüren möchte. Aber wo bleibt im vorliegenden Fall die Empathie für Felix? Dieser hat mit knapp 60 Jahren in seinem Bach seinen «Fisch des Lebens» gefangen. Es gab für ihn keinen plausiblen Grund den Fisch zu releasen. Viel mehr gab es einige Gründe es nicht zu tun. Dass Felix grundlos von Lachs-Canapés essenden C&R-Missionaren angepisst wird, ist schon etwas schäbig.

Nino von  Burg

 

Du bist interessiert an der Thematik «Fischentnahme»? Dann lies doch weiter!

Selektiv Entnehmen: https://www.alpenfischer.com/selektiv_entnehmen/

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Die Angst vor dem Anbiss: https://www.alpenfischer.com/die-angst-vor-dem-anbiss/

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