Unser Hobby Fischen führt uns oft an die schönsten Plätze. Plätze von denen «Nichtfischer» nicht einmal wissen, dass es sie gibt. Einige davon befinden sich rund um den englischen Ort Stockbridge – eine Gegend, die man als Fliegenfischer kennen sollte.
Text und Bilder: Pascal Bader, Nino von Burg
Video: Nino von Burg
Ich habe in meiner «Laufbahn» als Fliegenfischer schon viel darüber gelesen. Die berühmten Kalkflüsse in England, wo, wie man sagt, die moderne Fliegenfischerei geboren worden sei. Die klassische Nymphenfischerei und die Trockenfliegenfischerei wurden hier entwickelt. Flüsse wie der River Test, der Itchen oder der Avon sind legendär. Es ist also höchste Zeit die Region erstmals zu besuchen.
Die Anreise gestaltet sich denkbar einfach, nachdem wir in London Heathrow gelandet sind und unseren Mietwagen entgegengenommen haben, liegen gerade mal eineinhalb Stunden Fahrt vor uns. Im Hotel angekommen spüren wir erstmals, dass wir in Stockbridge nicht die einzigen Fliegenfischer sind. Man fällt nicht mal auf, wenn man mit Fliegenweste und Rute in der Hand über die Hauptstrasse läuft – das ist hier ganz normal.
Kleiner Vorgeschmack
Der Gang zu einem der beiden Anglershops im Ort führt unweigerlich an einem kleinen kanalisierten Bach vorbei, ein Nebenarm des River Test. Hier wird man gleich eingestimmt auf das, was einen erwartet, denn in dem besagten Bach stehen dicht aneinander mehrere Browntrout und Äschen (Grayling) in respektablen Grössen.
Am nächsten Morgen ist es endlich soweit, wir werden von unserem Guide an den Flussabschnitt (beat) geführt, an dem wir nun den ganzen Tag lang exklusiv fischen werden. Das überflüssige Gerät sowie unseren Lunch deponieren wir in der Fischerhütte, die zum Flussabschnitt gehört. Eine Toilette und ein Kaffeekocher sind ebenfalls verfügbar.
Der Fluss liegt in einem dicht bewachsenen Gebiet, darum macht es auch Sinn, dass entlang des Flusses ein gemähter Rasenstreifen das Vorwärtskommen unheimlich erleichtert, Wathosen sind eigentlich auch nicht immer nötig. Na ja, was der «Greenkeeper» auf dem Golfplatz kann, dem steht eben der «Riverkeeper» am Kalkfluss in nichts nach.
«Enjoy the silence»
So einfach und komfortabel einem das «Rundherum» gemacht wird, so herausfordernd ist dann aber die Fischerei selbst – wir sind ja nicht hier, weil wir es einfach haben möchten. Es beginnt mit dem Gehen – leise bitte, die Erschütterungen am Boden vergrämen die Fische. Diese Erfahrung macht wohl jeder, der denkt man kann hier einfach losrennen, unser Guide hat uns entsprechend vorgewarnt. Mein Begleiter Nino macht die erste Forelle aus, im klaren Flachwasser muss der erste oder der zweite Wurf sitzen, sonst ist die Forelle weg. Nino macht eigentlich alles richtig, doch trotzdem reagiert der Fisch nicht. Ist wohl die falsche Fliege. Hmm… gut, dann eben Fliegenwechsel… wieder nichts, dann der Wechsel auf eine 14er Pheasant tail Nymphe… Ahaa – der Haken sitzt im Maul der 45er Brown. Der Drill des Fisches hat endgültig die friedliche Unberührtheit unter Wasser gestört – von nun an wird’s nicht einfacher.
Das Sprichwort: «Fische die man siehst, fängt man nicht» trifft hier nicht zu, denn es funktioniert genau anders herum «Fische die man nicht sieht, fängt man nicht».
Grund: Man sieht jeden Fisch und muss dann probieren ihn zu überlisten. Blind fischen lohnt sich nicht.
Wir bewegen und sehr langsam flussaufwärts, um genügend Zeit zu haben jeden Winkel des Flusses nach einem fressenden Fisch abzusuchen. Es kommt immer wieder vor, dass wir einen Fisch zum Steigen bringen, doch im letzten Moment drehen einige Fische wieder ab, manche stupsen sogar die Fliege an. Meistens bringt die Nymphe dann den Erfolg, unter Wasser ist das Vorfach eben weniger gut zu sehen als wenn es an der Oberfläche liegt – da nützt auch ein 0.13er nix.
«Match the Hatch»
«Das Fliegenmuster anhand des aktuellen Schlupfes wählen», das ist die Grundregel beim klassischen Fliegenfischern. Im Alpenraum ist dies eine eher untergeordnete Regel, meistens tuts eine Goldkopfnymphe oder eine Sedge. Diese werden auch hier eingesetzt, doch eben nur dann, wenn es Sinn macht. Gerade in der Maifliegenzeit gibt es eigentlich nur ein Muster das funktioniert – eben die Maifliege. An den englischen Kalkflüssen kommt eine Menge unterschiedlicher Insekten vor, daher ist auf die aktuelle Situation besonderes Augenmerk zu legen.
Weltweit hat die Fliegenfischerei in den letzten Jahrzehnten ihre begeisterten Anhänger gefunden und plötzlich waren unzählige neue Destinationen Ziel der Angelreisenden. Nichts mehr ist unmöglich, mit der Fliegenrute werden heutzutage sogar Marline gefangen. Dabei gerieten die klassischen Gewässer fast ein wenig ins Hintertreffen, doch sie haben nie die Faszination verloren. Es funktioniert alles noch so wie immer – und das soll jetzt gar nicht langweilig klingen. Im Gegenteil, es ist an Spannung kaum zu überbieten.
Umkehrtaktik
Entgegen aller Vernunft, möglichst natürlich vorkommende Insektenimitate zu benutzen, kann ein abrupter Wechsel auf ein komplett unsinniges Muster manchmal den Spontanerfolg bringen. So passiert, als ich eine stattliche Äsche gefühlte zehntausend Mal mit allerlei Kleinstfliegen angeworfen hatte – ich wechselte auf eine grosse Schnaken-Fliege (Daddy Longleg) und beim ersten Wurf schlürfte die Äsche mein Angebot ein. Der überraschend grosse Happen hat die Äsche überrascht und die übliche Vorsicht vergessen lassen.
Der Angel Tag vergeht wie im Flug, denn wir sind konzentriert am Werk und vergessen dabei die Zeit. Eine Pause in der Hütte sorgt für Entspannung und erst als es langsam dunkel wird, beschliessen wir, die Ruten zusammenzupacken. Ein kühles Bier an der Hotelbar ist nun unser nächstes Ziel.
Goldbarren und Fahnenträger
Die durchschnittliche Forellengrösse lag in den drei Angeltagen etwa bei 42 Zentimetern, wobei die grösste 53 Zentimeter lang war – eine 60er ging verloren. Dabei handelt es sich um wahrhafte Schönheiten, meist sind die Fische goldgelb und weisen schwarze und rote Punkte auf. Äschen sind im Durchschnitt etwas kleiner, doch Exemplare bis 45 Zentimeter sind realistisch.
Catch & … was dann ?
An den Kalkflüssen herrscht keineswegs ein Catch & Release Gebot, wie man dies vielleicht annehmen könnte, es ist an zahlreichen Abschnitten erlaubt Fische zu entnehmen. Der Fischbestand besteht zum Grossteil aus wilden Fischen, denn der Lebensraum eignet sich für die Fortpflanzung hervorragend, dennoch werden auch Fische besetzt. Es sind dann auch meist diese besetzten Fische, welche entnommen werden dürfen. An den von uns befischten Abschnitten war jeweils die Entnahme von zwei Fischen erlaubt.
Wird ein Fisch zurückgesetzt, so wird mit ihm besonders vorsichtig umgegangen. Wenn immer möglich werden die Fische im Kescher unter Wasser vom Haken gelöst. Sobald sie erholt sind können sie in die Freiheit zurück. Fürs Foto darf der Fisch kurz hochgehoben werden.
River Test
Der River Test ist der berühmteste Kalkfluss (chalk stream), er ist mit 39 Meilen auch der längste. Es ist nicht immer einfach, den Hauptstrom des Flusses zu bestimmen, denn er ist in ein Netzwerk von Flussarmen gegliedert. Manche davon sind natürlich, andere sind künstlich angelegte Kanäle, aber alle sind fischbar.
Kalkflüsse bilden einen eigenen Typ von Quellflüssen. Obwohl einige Kalkflüsse in anderen Regionen Englands oder in der Normandie vorkommen, so befinden sich die meisten rund um das südenglische Städtchen Stockbridge in Hampshire.
Geologisch befinden sich in dieser Region dicke Kalkschichten, welche vor rund 70 Millionen Jahren durch Ablagerungen aus Muscheln entstanden sind. Das Grundwasser wird durch den Kalk leicht alkalisch. Da, wo der Wasserdruck genügen gross ist wird es an die Oberfläche gedrückt. Dabei ist es kühl und klar und fördert so das Wachstum von verschiedenen Arten von Flussgras (weed). Dieses wiederum gibt den Forellen Deckung und den zahlreichen Wasserinsekten einen Lebensraum. Die Gegebenheiten sind so perfekt, dass es fast unausweichlich war, dass hier die Fliegenfischerei eine Heimat gefunden hat.
Fantastischer «Oakley beat»
Der Oakley beat ist wohl einer der berühmtesten Flussabschnitte des River Test. Seine Geschichte geht weit zurück bis ins 19. Jahrhundert. Unweit des Oakley beats steht eine uralte Eiche (Die «Oakley Oak») deren Alter nicht genau bestimmt ist. Sie wurde aber bereits etwa im Jahr 900 erstmals in einer Bestandesaufnahme erwähnt und war damals wahrscheinlich bereits ein stattlicher Baum. Sie ist also mindestens 1000 Jahre alt und unwahrscheinlich beeindruckend.
Die Fischerhütte (Fishing hut) am Oakley beat ist ebenfalls schon uralt und steht in einem wunderschönen Garten, gleich am Flussufer. Von hier aus erstreckt sich der Abschnitt etwa einen Kilometer bis an die Grenze zum nächsten Abschnitt. Zahlreiche Fischergrössen aus der viktorianischen Zeit kamen hierher um zu angeln.
Ein Grasstreifen entlang des Flusses wird vom Flusspfleger (River keeper) regelmässig gemäht, damit man sich nicht durch das Dickicht zwängen muss, alles sehr bequem. Pro Tag sind nur zwei Ruten erlaubt und die Entnahme beschränkt sich auf zwei Fische. Diese werden aber von den wenigsten Fliegenfischern entnommen. Man setzt eher auf reines «Catch & Release», dabei wird äusserst schonend mit den Fischen umgegangen – Ehrensache. Die Fischerei ist so ziemlich das Feinste, was man sich vorstellen kann. Aber – die Forellen zu fangen ist eine andere Geschichte.
Der Film zum Beitrag
A Gentlemen`s Sport
Vielleicht ist es übertrieben zu behaupten, dass am legendären Chalkstream alles begann. Ihn als das Epizentrum der klassischen Fliegenfischerei auf Forellen zu sehen, ist jedoch bestimmt nicht ganz abwegig. Die Geschichte des Tests als Forellenfluss ist mächtig und hat bis heute einen entscheidenden Einfluss darauf, wie wir Fliegenfischen sehen und verstehen. Noch viel prägender ist der Einfluss auf das Bild, welches Aussenstehende von der Fliegenfischerei haben. Wenn ein Nichtfischer mit Fliegenfischen Eleganz verbindet, hat er keinen Alpenfischer in Gummistiefeln vor Augen, der sich mit der Goldkopfnymphe den Bergbach hochkämpft…
Die Chalkstreams und insbesondere der Test repräsentieren also das perfekte Fliegenfischen seit mehr als 100 Jahren? Ganz so «gentle» (sanft) ging es am Test auch nicht immer zu und her. Wo etwas entsteht, treffen verschiedene Ideen aufeinander und aus Ideen bilden sich dann Ideologien. Die vielleicht berühmteste Auseinandersetzung in der Geschichte der Fliegenfischerei spielte genau in dieser Szenerie.
Um die vorletzte Jahrhundertwende begann George Edward MacKenzie Skues damit seine Beobachtungen und Erfahrungen beim Fischen mit der «Nymphe» publik zu machen. Dies passte Fredric M. Halford, dem Pionier der Trockenfliegenfischerei, überhaupt nicht. Seine puristische Dry Fly-Doktrin sah vor, dass man einen gesichteten, steigenden Fisch mit der perfekten Imitation, der von ihm bevorzugten Nahrung, überlistet. Alles andere war für ihn unethisch und schlecht für die Gewässer.
Skues hatte durch einen Zufall bemerkt, dass eine abgesoffene Trockenfliege in manchen Fällen ausgezeichnet fängt. Selbstverständlich fischten beide immer upstream und, wenn irgendwie möglich, trocken. Der Streitpunkt war also eine Trockenfliege, die als Emerger gefischt wurde. Wenn Skues und Halford eine Alpenfischer-Fliegenbox gesehen hätten, wären sie beste Freunde geworden…
FaktenboxGerätDa nur die Fliegenfischerei erlaubt ist, erübrigt sich eine lange Packliste. Angesichts der überschaulichen Flussbreite sind keine weiten Würfe nötig, daher empfehlen wir Ruten der Schnurklasse 4 und 5 mit einer Trockenschnur. Der Drill einer Forelle mit 50 Zentimeter oder mehr kann aber die Rute ausreizen, daher ist eine Rolle mit fein justierbaren Bremse von Vorteil, ein wenig Backing kann nicht schaden. AnreiseDas Gebiet mit den Kalkflüssen befindet sich im Süden von England. London ist vom Alpenraum in gut eineinhalb Stunden Flugzeit erreichbar. Dann steht noch eine Fahrt mit dem Mietauto von eineinhalb Stunden bevor und schon erreichst Du den Ort Stockbridge. Somit steht dir die Fischerei auch für ein verlängertes Wochenende oder einen spontanen Ausflug zur Verfügung. Welcher AbschnittDie Flüsse sind in sogenannte «Beats» unterteilt. Von denen gibt es daher dutzende zur Auswahl, alle weisen eine unterschiedliche Charakteristik auf. Carsten von Pukka-Destinations kennt sich dabei aus und kann dich bei der Wahl am besten beraten. BuchungsinfoDer Angelreise Spezialist |