Der gemeine Streetfisher
Zeichnung: Tanja Binder
Street-Fischer? Ach ja, die neuen Hipster-Techno-Fischer, welche den Gleitschirm oder die Freeclimbing Schuhe gegen eine Toreon-Nano-Fantasista-Castingrute mit Baitcaster Rolle «made in Japan» eingetauscht haben. Und zum Thema Schuhe kann gleicht gesagt werden, dass die Wahrscheinlichkeit einen von ihnen mit Gummistiefeln anzutreffen etwa gleich gross ist wie den Banker auf dem Weg zur Arbeit an der Bahnhofstrasse neben an. Das Thema Fischerkleider lassen wir auch gleich besser in der Kapuze des übergrossen Hoody verschwinden. Das Fischen lieben sie vor allem dort, wo die Stadt laut und kräftig pulsiert. Aber Angst, dass sie von den zahlreichen Passanten dauernd angesprochen werden, haben sie keine. Wozu auch? Sie sind ja stetig unterwegs. Kein Klappstuhl oder sonstiges sperriges und unnützes Fischereigerät hindert ihre Mobilität. Der Rucksack und die kurze Fischerrute erinnern eher an einen in Alarmbereitschaft stehenden Armeeangehörigen einer Sondereinheit. Damit lässt sich galant nach 2-3 «Casts» vom Betonpfeiler rasch zum Brückengeländer wechseln. Da gefangene Fische vornehmlich wieder ins nasse Element zurückgesetzt werden (Nachhaltigkeit wird gross geschrieben), steht dem sportlichen «Parkcour» kein Ballast im Wege.
So sind auf den ersten Blick keine Gemeinsamkeiten zum traditionellen Fischer zu erkennen. Denn auch beim Thema Köder versteht der altbackene «Würmli-Bader» bei Begriffen wie «Shad-Teez» oder «Sexy-Impact-gold-flash-Minnow» nur Bahnhof. Wurm, Made, Köderfisch, Mais und Bachflohkrebs werden durch im Onlineshop per Mausklick bestellbare Gummis, Plastik und wabbelige Gel-imitate abgelöst. Kein Kühlen oder Füttern nötig, damit lässt sich auch ohne Garten und viel Aufwand ein ansehnlicher Ködervorrat in der guten Stube aufbewahren. Auch die durch Wurmerde verursachten schwarzen Fingernägel entfallen selbstverständlich bei diesen sterilen Kunstködern. Nur so lässt sich die Heimfahrt auch im vollen Tram ohne Scham gut bewerkstelligen.
Aber aufgepasst liebe Street-Fischer – nun treibt Euch die rasende Innovation auf die falsche Fährte. Allerneueste Gummiköder getränkt in bestialisch stinkendem Tintenfisch-Konzentrat oder in «Rubby Dubby» ähnlichen Tinkturen, lassen euch ganz rasch ins «Vor-Internetzeitalter» zurück katapultieren. Genau genommen in die Zeit, wo hauptsächlich mit Güllen-Maden auf Forellen und Äschen gefischt wurde. Damals liess der nicht sehr freundliche Geruch dieser «Mügger» die Finger für eine ganze Woche lang ans letzte Fischer-Weekend erinnern.
So gesehen freut es mich sehr, dass auch Ihr einen Schritt zurück in die Natürlichkeit angetreten habt.
Der QuerdenkerEr nennt die Dinge beim Wort, betrachtet uns Fischer aus der Ferne, neigt zur Provokation und pointiert. Sind wir wirklich so, haben wir uns in unserem Tun verrannt? «Auch du kannst ein Querdenker sein; schick uns deinen Text, anonym, wenn du möchtest.» |