Kunst trifft Kormoran. Der Alpenfischer-Redaktor war überrascht, welchen Text er im Kunstbulletin seiner Frau vorgefunden hat. Möchte ihn Euch nicht vorenthalten.
Text: Samuel Herzog, freier Schreiber (Kunst & Kochen), herzog@hoio.org, Zeichnung: Tanja Binder
Die Fischer auf der Kurischen Nehrung sind gegen die Kormorane, denn die fressen ihnen die Beute aus den Netzen weg. Auch die Graureiher sind den schwarzen Vögeln gar nicht grün, denn sie haben sie aus ihren Nestern verdrängt, ihnen die Heimat genommen. Die Bäume verrecken unter den Kormoranen, denn wo diese Wasserraben scheissen, wächst kein Blatt und keine Blüte mehr.
Ich habe die Kolonie im Norden von Juodkrantè besucht. In dem stinkenden Waldstück sehen die Kiefern wie blanke Gerippe da, der Kot der Vögel hat ihnen sogar die Rinde vom Leib geätzt. Mein Gastgeber ist ebenfalls wütend auf die Kormorane, denn sie jagen seinem Havaneser einen höllischen Schrecken ein. Dann kommt auch noch der Ärger der Jachtbesitzer dazu, denn die Vögel patschen sich mit weit ausgebreiteten Flügeln auf die Dächer ihrer Kajüten und lassen auch dort der Natur ihrer gefrässigen Därme freien Lauf.
Also dürfen alle zufrieden sein, dass sich einer dieser Kormoranai heute früh in dem grossen Netz verfangen hat, das Fischer am Ufer zum Trocknen aufgestellt haben – ein kunstvolles Gebilde, dem ästhetisch höchstens das Tüpfelchen auf dem i fehlt, das aus dem Tube von ***** ein veritables Kunstwerk macht. Trotzdem tut mir das Tier leid, das da mucksmäuschenstill in seiner Falle sitzt und nur ab und zu ein paar wilde Male mit den Flügeln gegen die Verzweiflung anschlägt. Allerdings wüsste ich gar nicht, wie ich es da rausholen könnte, ich müsste schon zu einem Messer greifen. Kaum anzunehmen, dass mich die Fischer dafür lieben würden. Möglich aber, dass dann auch ich den Vogel hassen müsste.
***** Rätsel aus Kunstbulletin 11/ 2018 hier.