CATCH & RELEASE?!

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Und tschüss! Heute gibt’s Gemüse.

 

Ein Bächlein und zwei hungrige Bäuchlein

Text und Bilder: Nino von Burg

Mehr als 20 Jahre ist es nun her, als ein Jugendfreund und ich beim Eglifischen am Zürichsee zufällig einen kleinen Zufluss entdeckten der voll mit Forellen war. Noch am selben Sommerabend begaben wir uns schwer bewaffnet mit Wurm, Blei und Kork an den besagten Bach. Eine halbe Stunde später waren unsere Plastiksäcke randvoll mit prächtigen 30+ Bachforellen. Von den schönen Fängen und der unbestraften Schwarzfischerei euphorisiert, stellten wir das Freveln ein. Unsere Eltern, ausnahmslos Nichtfischer, staunten nicht schlecht über den üppigen Bachforellenbestand im Zürichsee und luden am nächsten Tag die Nachbarschaft zum Gourmet-Fischessen ein.

Während diesem Sommer besuchten wir diesen Bachabschnitt noch einige Male. Uns fiel allerdings auf, dass die gefangenen Fische mit der Zeit immer kleiner wurden. Ein Quartier-Fischessen war definitiv kein zweites Mal drin. Bis im Herbst sollten wir fast alle kulinarisch verwertbaren Forellen in diesem Gewässer verspeist und viele Untermassige mit dem 6er Wurmhaken tödlich verletzt haben.

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Das Fischerei-Management der Bergbäche in der Schweiz ist nicht ideal. Selbst in den wenigen völlig naturbelassenen Gewässern ist Besatz nötig. Deshalb ist eine 30 cm «Pfannenforelle» durchaus schützenswert.

Gewässerzustand

Leider haben vor allem unsere Fliessgewässer und die darin lebenden Salmoniden weit grössere Probleme als ein paar nimmersatte Jungfischer. Strukturlosigkeit, Giftstoffe, Hormone, PKD, die Stromerzeugung mit Wasserkraft (Restwassermenge und Sunk/Schwall) beinträchtigen den Lebensraum der Fische und verunmöglichen eine bestandeserhaltende Reproduktion. Unter diesen Voraussetzungen verkraften zahlreiche Gewässer eine intensive Nutzung in Form der Angelfischerei nicht mehr. Um ein lohnendes Fischen trotzdem zu ermöglichen, werden Fische besetzt. Ausserdem werden Fangzahlbeschränkungen und Schonmasse erlassen. Der Erfolg dieser Massnahmen bleibt oft aus. Leider sind die Besatzmassnahmen und Bestimmungen häufig fragwürdig und stehen im Verdacht zum Teil auf uralten Annahmen und «Forschungsergebnissen» zu basieren.

Gewisse Anpassungen bezüglich Fischentnahme müssten aller Wahrscheinlichkeit nach gemacht werden, um dem weiteren Rückgang der Bestände entgegen zu wirken. Andernfalls bleibt uns, wie den zwei 10-jährigen Rotzlöffeln am Zürichseezufluss, vielleicht nur die ganz grosse Ernüchterung.

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«Forelle blau» für 2 Personen oder wertvoller Laichfisch? Beides.

Fangen und Freilassen

Eine auf den ersten Blick eigenartige und vermutlich aus der Karpfenfischerei stammende Idee die Fischbestände zu schonen, ist das sogenannte Catch & Release (nachfolgend C&R genannt). Grundsätzlich könnte man auch das Zurücksetzen einer 10 cm langen Bachforelle als C&R bezeichnen. Der Begriff bezeichnet aber eine ganz bestimmte Grundhaltung beim Fischen. Dabei begibt sich der Fischer mit der Absicht ans Wasser, zwar Fische zu fangen, diese aber nicht zu töten und zu verwerten. Die gefangenen Fische werden im Gewässer belassen, um sie zu einem späteren Zeitpunkt erneut fangen zu können. Lee Wulff, eine amerikanische Fischerlegende, formulierte es so: “A good game fish is too valuable to be caught only once.“ (“Ein guter Sportfisch ist zu wertvoll um nur einmal gefangen zu werden.“) Das könnte man in Bezug auf unsere stark belasteten Gewässer so verstehen: Wenn wir die letzten Fische rausfangen und verspeisen, sind wir unsere eigenen Spassbremsen.

Vorteil Catch & Release

In den USA, in Neuseeland, aber auch in vielen europäischen Ländern ist C&R vor allem an Fliessgewässern sehr populär. Abschnittweise ist eine Entnahme per Fischereiverordnung verboten. Selbst ein Fisch versteht, dass dadurch die Bestände geschont werden. Auch ohne natürliche Reproduktion kann ein solcher Gewässerabschnitt durch massvollen Besatz einen sehr guten Fischbestand aufweisen. Der Fischer kommt dadurch in den Genuss von vielen packenden Drills mit verhältnismässig grossen Fischen. Auch erhöhen sich an einem solchen Revier die Chancen für Anfänger erfolgreich zu sein.

Die Kehrseite der Medaille

Leider stehen den positiven Auswirkungen von C&R kritische Punkte gegenüber. So verbietet es zum Beispiel das Schweizer Gesetz C&R als Methode zu betreiben. Das Verbot folgt aus Art. 26a Tierschutzgesetz: «Mit Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer vorsätzlich: ein Tier misshandelt, vernachlässigt, es unnötig überanstrengt oder dessen Würde in anderer Weise missachtet.» Unabhängig von der Frage, ob Fische Schmerzen empfinden können oder nicht, fügen wir ihnen bei unserer liebsten Tätigkeit Leid zu. Es steht ausser Frage, dass es ein gehakter Fisch uncool findet an einer Leine zu zappeln – so sehr sich auch der Fischer über das Zappeln am anderen Ende der Leine freuen mag. Wenn man den Fisch nur an der Leine zappeln lässt, um sich zu verlustieren, setzt man die Würde der Kreatur herab. Der Fisch wird zum Spielzeug.

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Bergbäche kann man leerfischen. Nicht ganz leer, aber zu leer.

Was ist erlaubt?

Entgegen der Behauptung vieler Fischer schreibt der Gesetzgeber nicht vor jeden Fisch in die Pfanne hauen zu müssen. Es ist durchaus „Spielraum“ (in Ermangelung eines passenderen Wortes) vorhanden. Der Fischer wird vom Gesetzgeber der Verantwortung bei der Entnahme nicht entbunden! So besteht keine Verpflichtung einen vielleicht zu kleinen Fisch zu vermessen. Auch darf ein massiger Fisch zurückgesetzt werden, wenn er nicht der Zielfischart entspricht. Aus ökologischen Gründen besteht zudem die Möglichkeit den gefangenen Fisch als wertvolles Laichtier einzustufen und ihn zu “releasen“. Das Gesetz verbietet ausschliesslich das Beeinträchtigen des Tierwohls zum Spass. Und das ist gut so.

Die Grundidee des Fischens

Für einen bedeutenden Teil der Fischer ist es selbstverständlich die gefangenen Fische zu verwerten. Selbst wenn bei einem Fischgang auch das Abenteuer, die Nähe zur Natur und der freundschaftliche Austausch mit Gleichgesinnten gesucht wird, ist das erklärte Ziel vieler Fischer der Fang und das anschliessende Essen von Fischen. C&R widerspricht dieser Grundidee. Für viele Fischer ist C&R wie Fussball ohne Tore.

Toleranz

Leider neigen einige wenige C&R-Fischer dazu sich selbst auf einen moralischen Thron zu setzen. Weil es dafür keinen plausiblen Grund gibt, führt dies unter anders denkenden Mitfischern automatisch zu Unverständnis und leider allzu häufig auch zu einer Abwehrhaltung gegenüber Anpassungen bei den Entnahmebestimmungen. Das ist ausserordentlich bedauerlich.

Auf der anderen Seite sorgen auch vereinzelte, selbsternannte Bergbach-Fleischfischer in aufgesetzter Ich-schlag-alles-tot-Manier für Unmut. Jahr für Jahr 100 und mehr Bachforellen in die Statistik einzutragen und dies auch noch lauthals zu verkünden, ist in den Augen eines Grossteils der Fischer einfach nicht ok – auch wenn es die Bestimmungen erlauben.

Beide Lager haben aber etwas gemeinsam: Sie werden uns bei der Umsetzung von zeitgemässen und sinnvollen Schutzmassnahmen kaum behilflich sein. Wir sollten die Extremisten und Fundamentalisten zwar in unsere Diskussionen einbeziehen, die Verbreitung von schlechter Stimmung und die Beeinträchtigung unseres Ansehens in der Gesellschaft dürfen wir ihnen aber nicht zugestehen.

Infobox

Unbedingt zu beachten

Um einen gefangenen Fisch zu «releasen», müssen gewisse Bedingungen erfüllt sein, die sein Überleben gewährleisten bzw. begünstigen. Der Fisch muss in einer den Umständen entsprechend guten Verfassung sein. Schon kleinste Verletzungen im Kiemenbereich führen zum sicheren Tod. Die Drillzeit sollte möglichst kurzgehalten werden, da zu lang gedrillte Fische an Erschöpfung sterben können – unter Umständen erst Stunden bis Tage später. Auch das Anfassen des Fisches mit trockenen Händen, das Panieren eines solchen auf der Kiesbank und das minutenlange Posieren für das Beweisfoto sind den Überlebenschancen abträglich. Setzt man einen halb toten Fisch zurück, fehlt es nicht nur an Respekt gegenüber dem Lebewesen, sondern auch an der Achtung vor Lebensmitteln.  

 

 

 

 

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2 Kommentare

  1. Wer Fische nicht verwerten kann,sollte sie lieber zurücksetzen ! Aber:Wer nur Angeln geht um Fische zu verkaufen, zu verschenken, oder nur zu schonen, der sollte mal über ein anderes Hobby nachdenken ! Es gibt Angelvereine, die halten das, was sie zig Jahre falsch gemacht haben, für Erfahrung.Wir leben in einem gefährlichen Zeitalter.Der Mensch beherrscht die Natur, bevor er gelernt hat,sich selbst zu beherrschen.Die Welt ist vollkommen überall,wo der Mensch nicht hinkommt mit seiner Qual.Bei einer Fischsuppe und der Politik,sollte man nicht zuschauen, wie sie gemacht wird ! Gott schuf Fische: Vögel: und Affen: dann denn Menschen: als er die sah, hörte er schleunigst auf mit Experimenten !

  2. Finde es gut dass wir Fischer diesen «Spielraum» haben. Jedes Gewässer funktioniert unterschiedlich. Eine gute Methode ein Gewässer besser zu verstehen ist einfach Fischen zu Gehen 🙂 Also denke ich ist diese Regelung bei uns Fischern in guten Händen und C&R zwecks Nachhaltigkeit und sofern richtig gemacht ne gute Sache.

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