Wer auf der grünen Insel eine wilde, schroffe, mystische und vom Meer gezeichnete Landschaft sucht, wird früher oder später in Richtung Nordwesten aufbrechen. Dass sich dort auch einige der besten Lachsflüsse der Insel befinden, freut das Fischerherz natürlich umso mehr.
Text: Andi Binder
Bilder: zvg, Pascal Bader
Hier, wo der Wirtschaftsboom der späten 1990er- und 2000er-Jahre seine «Celtic-Tiger» Krallen eher zögerlich ausgefahren hat, konnten sich neben der spektakulären Landschaft mit hohen Klippen, Sandstränden und Mooren auch einige der typischen und mit Patina versehenen Pubs, Hotels, Räuchereien und Fischereifachgeschäfte halten. Dass die Iren ein ausgesprochen freundliches Völkchen sind, ist den meisten ja hinlänglich bekannt. Diese Mischung aus Tradition, atemberaubender Natur und Lebensfreude macht für uns Festlandeuropäer den unwiderstehlichen Reiz dieser Region aus. Dass nach dem Platzen der beispiellosen Immobilienblase 2009 das gesamte Preisniveau förmlich implodiert ist, wirkte sich verheerend für die Einheimischen aus – aber ironischerweise positiv für uns Touristen. Lässt sich doch jetzt wieder zu einem vorzüglichen Preis-Leistungsverhältnis ein Fischerurlaub mit Lachsfischen verwirklichen.
Vielfalt
Der Nordwesten oder genauer «Connacht» genannt, beheimatet mit den «Counties» Galway, Mayo, Sligo und Leitrim quasivier Kantone oder Bundesländer mit direktem Meeranstoss. So ist die Frage nach möglichen Lachsgewässern schnell geklärt. Denn in diesen vier Counties finden sich für alle Ansprüche und Methoden lohnenswerte Ziele – selbst wenn wegen zu tiefem Wasserstand oder bereits erreichter Fangquote einmal nicht auf den König der Salmoniden gefischt werden kann. Denn die eindrucksvolle Küste mit grosser Fischvielfalt oder die für ihre wilden Forellen (Brown Trout) weltbekannten Seen bieten ausreichend Alternativen für einen unvergesslichen Fischertag.
Vorbereitung
Wer es aber auf den Atlantiklachs abgesehen hat, muss auch in Connacht einige Fragen für sich beantworten, bevor der Angelurlaub angetreten wird.
In welchem Monat möchte ich reisen? Da der Lachsaufstieg in einzelnen Flüssen und somit auch die Saison bereits ab Januar beginnt, kann der für Februar geplante Skiurlaub locker zum Lachsfischen am River Drowes umgebucht werden. Denn am Drowes wird in der Regel jedes Jahr der erste Lachs der neuen Saison gefangen. Oder doch lieber im September die letzten Spätsommertage in der üppigen Natur verbringen und auf spät aufsteigende Lachse in allen Gewichtsklassen setzen? Auch das funktioniert zum Beispiel am River Moy bestens.
Möchte ich mit der Spinnrute oder nur mit der Fliegenrute am Wasser sein? Auch dies sollte im Vorfeld genau geklärt werden. Denn nicht in jedem Fluss sind alle Techniken erlaubt und nicht alle Gewässer eignen sich zum Fliegenfischen.
Und fast noch wichtiger: am Anfang des neuen Jahres gilt es immer, die aktuellen «Salmon Angling Regulations», also die Fangbestimmungen zu studieren. Welcher Fluss ist für die neue Saison geöffnet oder sogar gesperrt. Welche Köder sind erlaubt, welches Fanglimit gilt – oder ist womöglich nur Catch & Release erlaubt?
Auf alle diese Fragen gibt die Webseite Fishinginireland.info ausführlich Antwort: http://www.fishinginireland.info/salmon/salmontagging.htm
Wer sich an die grösseren und bekannteren Gewässer hält, z. B. den Moy, den River Drowes oder den Corrib River in Galway, wird kaum mit einer Überraschung konfrontiert sein. Aber die vielen kleinen Flüsse, die vorwiegend im Sommer nach einem Hochwasser einen Lachsaufstieg aufweisen (Spate-River) können durchaus mit neuen Regeln aufwarten.
Saison und Gewässerwahl
Auch wenn ein im Februar gefangener Barren Silber sicherlich zu den schönsten Erlebnissen zählt, würde ich dem Erstbesucher in Irland eher die wärmeren Monate für den Lachsfang empfehlen. Richtet sich der Fokus auf einen Lachs der acht Pfund-plus Klasse, bieten sich die Monate April/Mai und die ersten Wochen im Juni an. Hier ist die Chance auf einen Spring-Salmon, wie diese zum zweiten oder dritten Mal aufsteigenden Fische genannt werden, am besten. Auch der September lässt die Aussicht auf einen Grosslachs nochmals merklich steigen. Dennoch gilt die Jagd auf einen Spring-Fisch als sehr herausfordernd und die Fangzahlen sind um Faktor fünf bis zehn kleiner, als bei den im Sommer erstmals aufsteigenden Lachs, den sogenannten Grilse. So bietet es sich eigentlich fast an, die ersten Versuche auf den Hauptaufstieg auszurichten, welcher in der Regel zwischen Mitte Juni bis Mitte August erfolgt. Zu bemerken gilt, dass sich in den letzten 20 Jahren der Aufstieg der Grilse an mehreren Gewässern nach hinten verschoben hat. So galt lange Mitte Juni als peak season (beste Zeit) für den Grilse-Aufstieg. Aktuell liegt der Höhepunkt eher Mitte Juli! (Ausnahme war das 2016, wo der Juni wieder einen guten Run hatte!).
Irland – Ein Regenland?
Die ganze schöne Planung ist aber praktisch nichts wert, wenn das Wetter nicht mitspielt. Wer nun glaubt, dass auf der grünen Insel immer genügend Wasser den Fluss runterrauscht, der irrt gewaltig. So sind die Regenmengen in Zürich und Galway in etwa identisch. Nur fällt in Irland der Regen vor allem im Winter, was dem Lachsfischer in der Schonzeit nichts bringt. Das heisst leider auch, dass im Sommer deutlich weniger Regen fällt, auch wenn es gefühlsmässig dauernd rieselt. Ach ja, Regen ist ein Segen für Lachsfischer, denn nur mit genügend hohem Wasserstand steigen die begehrten Salmoniden vom Meer in die Flüsse auf.
Diese Erkenntnis gilt es speziell für die kleineren Flüsse anzuwenden, welche stark wasserstand- und somit wetterabhängig sind.
Chancen optimieren
Basierend auf diesen Fakten gilt es nun das passende Gewässer zu wählen. Konkret bietet ein grös-serer Fluss wie z. B. der River Moy auch bei Niedrigwasser genügend tiefe Pools, wo die Lachse sich vorübergehend niederlassen. Ein Kleinfluss ist bei diesen Konditionen praktisch ohne Lachs. Habe ich nach einer langen Trockenperiode hingegen das Glück auf einen heftigen Sommerregen zu treffen, wird mir diese Flut am kleinen Bach zu einer Sternstunde verhelfen. Deshalb ist es hilfreich das Basislager an einem grösseren Fluss aufzuschlagen und dennoch bei den richtigen Wetterbedingungen an einen Spate River ausweichen zu können. Natürlich gilt auch für die grösseren Lachsflüsse, dass ein Wasserpegelanstieg neue Fische ins System bringt und die vorübergehend residenten Tiere wieder deutlich beissfreudiger macht.
Top-Gewässer
River Moy, River Drowes, Ballysadare, Corrib
Dies sind sicherlich die bekanntesten Lachsflüsse in Connacht. Mit dem Moy sogar der bakannteste von ganz Irland. Mit einer Fangquote von 6000-10000 Lachsen pro Saison stehen hier die Chancen für einen erfolgreichen Angeltag äusserst gut. Für Details der einzelnen Strecken: siehe Faktenbox.
Für alle diese Flüsse gilt der Umstand, dass der Wasserstand massgebend für unsere Taktiken ist.
Welcher Abschnitt oder Pool bei den aktuellen Bedingungen am besten fischt, wird mit Vorteil in einem Gespräch mit den stets auskunftbereiten Fischereiartikelhändlern oder mit einem Guide (Angelführer) am Wasser geklärt. Sämtliche Ausgabestellen für die Angel-Lizenzen wissen ebenfalls Bescheid, was am Fluss gerade läuft.
Saison Übersicht
Saisonstart (Jan-Mai)
Die grossen Springer-Lachse wandern sehr schnell das Flusssystem herauf. Auch führt in der Regel der Fluss im Frühling genügend Wasser. Somit sollten wir uns auf die oberen Flussabschnitte konzentrieren. Falls eine Flussgabelung folgt, wo die Fische kurz pausieren müssen um den richtigen Weg zu finden, dann haben wir den Hot-Spot für Springer gefunden. Ist der Fluss eher kurz, oder befischen wir eine Strecke im Unterlauf des Flusses, dann unbedingt mit dem Tide-Kalender die Ebbe-Flut berücksichtigen. Fischen macht dann mit Vorteil eine bis zwei Stunden vor und nach der Flut Sinn.
Saison-Mitte (Mai-Juli)
Häufig ist der Wasserstand in dieser Phase während Wochen tief und das Wasser relativ warm. Die Lachse, welche sich seit dem letzten Wasseranstieg noch im Flusssystem befinden, sind eher träge und beissfaul. Hier gilt es nun Abschnitte zu finden, welche eine schnellere Strömung aufweisen und sich Fische mit einem Sprung aus dem Wasser auch zeigen. Das Fischen sollte auf die Morgen- oder Abendstunden verlagert werden. Je länger die Trockenheit dauert, desto mehr Fische «stauen» sich im Mündungsbereich des Flusses. Hat man die Möglichkeit in einem Mündungs-Abschnitt zu fischen, wo die Flut alle zwölf Stunden einen Teil dieser Fische ein Stück flussaufwärts schiebt, dann unbedingt diese Chance nutzen. Sicherlich die bekannteste Stelle dieser Art ist der Ridge-Pool am River Moy oder die Seapools am River Drowes.
Saisonende (August-September)
Der August kann sich je nach Temperatur analog zum Juni/Juli verhalten. Im September ist mit sinkenden Wassertemperaturen wieder etwas mehr Aktivität zu erwarten. Hier kann mit den richtigen Ködern auch bei tiefem Wasserstand wieder erfolgreicher gefischt werden. Aber ein kleiner Wolkenbruch kann auch im September Wunder bewirken.