Vor einigen Jahren wäre es ab Oktober üblich gewesen, bis fast zum Hals im kalten Wasser zu stehen und sich über Forellen zu ärgern, welche sich in der Schonzeit am Naturköder vergriffen. Die Finger halb abgefroren und eine Maniküre nach sich ziehend, um die ätzenden, abfärbenden und stinkenden Flüssigkeiten der «Güllenmaden» und Mistwürmer wieder loszuwerden.
Text: Andi Binder, Bilder & Video: Stefan Kucharski/Jeremia Schoch
Gute neue Zeit
Ach, wie ist es nun doch dank der Klimaerwärmung viel angenehmer. Selbst im Oktober herrscht praktisch noch T-Shirt Wetter. Und auch wenn das Wasser «Seichwarm» ist, muss erst gar nicht hinein gewatet werden. Denn der beim Äschenfischen in extremis geforderte direkte Kontakt und möglichst kleine Winkel zum Schwimmer, ist hier nicht nötig. Ebenso sind die Köder geruchsneutral und auch ohne Fingerspitzengefühl leicht montierbar.
Das Duell
Auch wenn eine 40’er-Äsche einen valablen Drill liefert, ist dies im Vergleich zur neuen Spezies nichts und in die Kategorie «zuckeln» des 150 gr. Gummifischköders einzureihen.
Denn auf dieser Jagd ist echte Action angesagt. Wenn der Schatten in der Grösse einer schwimmenden Eisenbahnschwelle die Ente mit einem lauten schlürfen von der Wasseroberfläche pflückt, paar Sekunden später mit einem Donnerschlag auf den XXL-Wobbler knallt und einem die Rute fast aus den Händen reist, in den Gesichtern der Enten fütternden Familie ein lähmendes Entsetzen eingesetzt hat, die Rollenbremse singt und der beissende Rauch des verbrannten Öls seinen Weg in dies Nase bahnt. Ja – spätestens dann, ist der Thymianduft der Äschen vergessen.
Willkommen beim Wels angeln!

Stefan Kucharski, Präsident vom FV Zurzach mit Rheinwels (1,69 m) gefangen letztes Wochenende im ehemals besten Äschenrevier.
Social-Media Fisch
Es bleibt nun genügend Zeit die Actioncam zu installieren, seine Freunde anzurufen und der sich bildenden Fussgängertraube Regieanweisungen zu erteilen. Der Plot wird vom Flussmonster allerdings selber geschrieben und die Zuschauer sind für die nächsten Minuten fasziniert und geschockt zugleich, was sich da in unseren Flüssen für Ungeheuer tummeln. Der Wels oder eben Waller ist ein Urtier, welches sich bis in die heutige Zeit perfekt anzupassen verstand. Und so ist es nicht verwunderlich, dass er auch den Evolutionsschritt ins Social-Media Leben mühelos meisterte.
Ist der Drill – besser passt hier «der Kampf auf Biegen und Brechen» beendet, sollten die zutiefst beeindruckten Zuschauer weggeschickt werden. Denn nun kommt der Teil aus dem Genre «Schlachthof». Mit einem Knüppel in Baseballschläger-Format wird der Fisch betäubt und anschliessend mit dem grossen Messer fachgerecht getötet.
Per Knopfdruck können die Followers dieses Spektakels zeitnah zum Wels-Grill-Barbecue eingeladen werden, wo sie dem Big Game Jäger wohlwollend auf die Schulter klopfen werden.
Die erhaltene Bestätigung kombiniert mit dem für viele Stunden anhaltenden Adrenalinschub wird den Waller-Fänger bis zum Montagmorgen ins Büro begleiten. Hier kann die ganze Abenteuer-Episode bei Komplimenten und Bewunderung der weiblichen Belegschaft zum Besten gegeben werden.

Und da gibt es doch noch weitaus grössere Exemplare! Klappe zu – Film ab..
Mann oder Memme?
Abschliessend stellt sich gewissermassen nur eine Frage: «Bist du ein echter Kerl oder gehst noch Äschenfischen?»
PS: Die Personen und die Handlung des Textes sind frei erfunden und etwaige Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Begebenheiten oder lebenden oder verstorbenen Personen wären rein zufällig. Der Artikel ist der Rubrik «Querdenker» zuzuordnen.